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·25. August 2025

Crowdfunding im Profi-Fußball: Wenn die Kurve zur Bank wird

Artikelbild:Crowdfunding im Profi-Fußball: Wenn die Kurve zur Bank wird

Von Klaus-Martin Meyer

Fußballfans sind Experten im Geben. Sie geben ihre Stimme, ihre Freizeit, ihr Geld. Sie geben sich hin. Und immer öfter dürfen sie auch dort geben, wo es richtig zählt: in die Klubkasse. „Crowdfunding“ heißt die Zauberformel – die Demokratisierung der Kapitalbeschaffung. Viele geben wenig, und am Ende kommt ein Stadiondach oder eine neue Geschäftsstelle dabei heraus. Fußball und Finanzen: ein Paar, das nie so recht zusammenpassen wollte, jetzt aber so innig kuschelt wie Ultras in einer Kurve.


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Crowdfunding im Fußball ist mehr als eine exotische Spielerei. Es ist eine gesellschaftliche Chiffre: Wie viel Nähe zwischen Fans und Verein ist möglich? Wie viel Mitsprache erwünscht? Und: Ist die Crowd am Ende die bessere Investorin als die Hedgefonds und Milliardäre, die sich in die Bundesliga einkaufen wie andere in eine Ferienwohnung an der Ostsee?

Sammelbüchse 2.0 – wie alles begann

Bevor Plattformen wie Kickstarter oder Seedrs erfunden waren, lief das im Fußball schon lange: per Klingelbeutel. Stadionneubauten in den 20er-Jahren, Jugendheime in den 70ern – überall, wo das Vereinsvermögen nicht reichte, half die Fanbasis. Später professionalisierten sich die Modelle: Vereinsanleihen, meist hochverzinst, oft romantisch verklärt. Schalke 04 hat so Millionen eingesammelt, der HSV ebenso. Anleger wussten: Hier geht es weniger um Zinsen als um Zuneigung.

Das Internet übersetzte diese Tradition ins Digitale. Fortschrittsbalken, Rewards, Community-Updates – plötzlich konnte jeder Fan mit wenigen Klicks sehen, wie aus seinem Zwanziger eine Tribüne wurde.

AFC Wimbledon – Selbstermächtigung in Reinform

Das wohl berühmteste Beispiel ist AFC Wimbledon. Entstanden aus dem Trauma, dass der alte Wimbledon FC nach Milton Keynes verfrachtet wurde, bauten die Fans nicht nur einen neuen Verein auf, sondern später auch ihr Stadion. Über die Plattform Seedrs sammelte der Klub Millionen, die in den Neubau von Plough Lane flossen. Jeder Investor bekam Anteilsscheine, T-Shirts, das Gefühl, selbst Ziegelsteine zu tragen.

Wimbledon ist die romantische Idealform des Crowdfundings: Fans als Besitzer, die Crowd als Schutzschild gegen Entfremdung.

South Shields – Überleben dank Crowd

Weniger bekannt, aber nicht minder spannend: South Shields FC aus dem Nordosten Englands. Der Klub tingelte zwischen den Ligen, die Kassen waren leer, die Ambitionen groß. Über Crowdcube sammelte man Kapital für Infrastruktur. Die Kampagne brachte den Club nicht in die Premier League – aber sie sicherte das tägliche Überleben. Für viele Semi-Profiklubs ist Crowdfunding der Unterschied zwischen Dauerkarte und Konkursakte.

VfL Osnabrück – Provinz mit Potenzial

Auch in Deutschland gibt es Beispiele. Der VfL Osnabrück experimentierte mit hybriden Modellen: eine Mischung aus klassischer Anleihe und digitalem Crowdfunding. Keine Millionen, aber Symbolkraft. Der lila-weiße Anhang zeigte, dass selbst im provinziellen Umfeld eine Crowd mobilisierbar ist.

St. Pauli – Demokratie statt Dividende

Der FC St. Pauli denkt das Thema konsequent anders. Ihr Modell: Genossenschaft. Kein Zins, keine Rendite – dafür Mitbestimmung. Wer Anteile zeichnet, darf mitreden. Das passt zur DNA des Vereins, in der Profit eine kleinere Rolle spielt als Prinzipien. Hier ist Crowdfunding nicht Kapitalbeschaffung, sondern demokratische Kulturtechnik.

Hertha BSC – zwischen Kapilendo und Chaos

Und dann ist da die Alte Dame. 2018 sammelte Hertha BSC über die Plattform Kapilendo Geld ein. Fans konnten Kleinanleihen zeichnen, verzinst, kombiniert mit Merch. Kein gewaltiger Erfolg, aber ein Schritt: Endlich konnte man nicht nur Tickets kaufen, sondern auch direkt in „seinen“ Klub investieren.

Das wirkt rückblickend fast wie eine heile Welt. Denn was danach kam, war ein Lehrstück in Abhängigkeiten: Lars Windhorst pumpte Hunderte Millionen in Hertha – verbranntes Geld, verbrannte Erde. Später tauchten mit 777 Partners dubiose Gestalten auf, deren globale Investitionsstrategie eher an Hedgefonds-Thanatos als an nachhaltige Klubführung erinnerte.

Im Kontrast dazu wirkt das Crowdfunding via Kapilendo wie ein sympathischer, ehrlicher Versuch. Transparent, nachvollziehbar, getragen von Menschen, die mit blau-weißen Schals statt Panamabriefkästen ausgestattet sind. Natürlich: Mit ein paar Millionen von Fans allein wäre die Hertha nicht saniert worden. Aber das Modell hatte etwas, was Windhorst und Co. nie brachten: Glaubwürdigkeit.

Hashtag United – vom YouTube-Kanal zum Investment Case

Das jüngste und wohl modernste Beispiel liefert Hashtag United. 2016 von YouTuber Spencer Owen gegründet, wuchs der Klub als digitales Projekt: Spiele wurden gestreamt, Clips millionenfach geklickt, Sponsoren wie Adidas oder Monster stiegen ein. Eine „digital first“-Marke, die Fußball spielt.

2025 wagte Hashtag den nächsten Schritt: Über Republic Europe (früher Seedrs) startete der Klub eine Equity-Crowdfunding-Kampagne. Fast £937.000 kamen zusammen, 124 % des Ziels, von knapp 2.000 Investor:innen. Bewertung: £6 Mio., Anteilspaket: 13,44 %. Investierbar ab 22 Pfund. Wer wollte, konnte sogar über den Sekundärmarkt später handeln.

Damit sprengte Hashtag das bisherige Muster. Hier investierte die Crowd nicht in eine Flutlichtanlage, sondern in eine digitale Fußballmarke mit globaler Reichweite. Fans wurden Teilhaber – und damit Komplizen eines Experiments, das Fußball als Content-Ökonomie denkt.

Mehr als Geld – ein kulturelles Bindeglied

All diese Beispiele zeigen: Crowdfunding im Fußball ist nie nur Finanzierung. Es ist Symbolik. Es erzählt mehr über den Verein als über seine Bilanz.

  • Wimbledon: Selbstermächtigung gegen Entfremdung.
  • South Shields: Überleben durch Solidarität.
  • Osnabrück: Provinz, die zeigt, dass Verbundenheit monetarisierbar ist.
  • St. Pauli: Demokratie als Finanzierungsmodell.
  • Hertha: die sympathische Alternative zu Investorenpossen.
  • Hashtag: die Transformation vom Meme zum Asset.

Die Summen sind unterschiedlich, die Botschaft dieselbe: Fans sind mehr als Kunden. Sie sind Kapitalgeber, Teilhaber, Stakeholder.

Ambivalenz: Romantik trifft Risiko

Natürlich ist Crowdfunding kein Wundermittel. Viele Kampagnen bleiben hinter Erwartungen zurück, manche Vereine verheddern sich in Regulierungen. Kleininvestoren tragen Risiken, die sie kaum einschätzen können. Und: Manch ein Verein nutzt die Crowd nur als PR-Gimmick.

Doch im Vergleich zu Investoren aus dem Graubereich wirkt es fast naiv sympathisch, wenn Fans ihre Euros in digitale Fortschrittsbalken schieben. Crowdfunding ist die kleine Münze im Vergleich zu Hedgefonds-Milliarden – aber es ist ehrlicher, emotionaler und weniger toxisch.

Die Zukunft: Hybridmodelle

Wahrscheinlich wird die Zukunft Mischformen bringen. Vereine werden Großinvestoren brauchen – aber sie werden begreifen, dass die Crowd nicht nur Kapital, sondern Legitimität liefert. Vielleicht werden in zehn Jahren Bundesliga-Clubs mit einem „Fanblock“ im Cap Table antreten, der kleiner ist als die Beteiligung der Investoren, aber größer als null.

Denn wer das Geld seiner Fans nimmt, der muss sich rechtfertigen. Und das allein verändert Machtverhältnisse.

Fazit

Crowdfunding im Fußball ist kein Allheilmittel. Aber es ist ein Gegengewicht. Gegen Anonymität, gegen Finanzakrobatik, gegen die Idee, dass Fußball nur Ware ist.

Ob in Wimbledon, Osnabrück oder Hamburg, ob in St. Pauli oder bei Hashtag United: Die Crowd ist längst Teil des Spiels. Manchmal als letzte Rettung, manchmal als PR-Coup, manchmal als echte Machtbasis.

Und vielleicht ist genau das die Pointe: Dass die Menschen auf der Tribüne nicht nur Eintritt zahlen – sondern mit ihrem Geld den Unterschied machen. Zwischen Insolvenz und Aufbruch, zwischen windigem Windhorst und demokratischen Crowdfunding-Plattformen, zwischen Content und Contentment.

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