Claus Vogt unter (Liefer-)Druck | OneFootball

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Vertikalpass

·29. November 2021

Claus Vogt unter (Liefer-)Druck

Artikelbild:Claus Vogt unter (Liefer-)Druck

Die Ankündigung von Thomas Hitzlsperger, seinen Vertrag nicht zu verlängern, hat den e.V.-Präsidenten und AG-Aufsichtsratsvorsitzenden Claus Vogt unter Druck gesetzt. Er muss nun operativ liefern, zusammen mit seinen Aufsichtsratskollegen einen CEO und womöglich einen Sport-Vorstand bestellen.

Was hat Vogt bisher geleistet? Frauenfußball, Para-Sport, beides hat Vogt initiiert und voran gebracht. Die Stimmung hat er verbessert, die Gräben zwischen Führung und Fans zugeschüttet, er sucht den Dialog mit Fans und Mitgliedern. Er kann kumpeln mit Fans, sagt die Dinge, die Fans gerne hören wollen. Vogt hat sich als widerstandsfähig erwiesen, er hat Haltung gezeigt, in politischen, sozialen und stilistischen Fragen.


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In der Investorensuche – zugegeben im Moment nicht gerade trivial – hat sich bis jetzt scheinbar nichts getan, die Idee einer Mittelstandsbeteiligung ist schon längst ad acta gelegt, „in Gesprächen“, befinde man sich, so heißt es seit langem. Ehrlicherweise seit 2018, also sogar schon bei Wolfgang Dietrich. Dass weder Vogt noch Hitzlsperger mitten in einer Pandemie einen neuen strategischen Partner aus dem Hut zaubern konnten: irgendwie verständlich. Vielleicht sollte man Diamantauge Mislintat mal damit beauftragen. Der würde bestimmt ein cooles Start-up in Frankreich finden.

Die Vorschusslorbeeren für Vogt und seine Präsidiums- und Aufsichtsratskollegen Rainer Adrion und Christian Riethmüller sind groß. Es reicht allerdings nicht mehr, Haltung zu zeigen; jetzt ist Tatkraft gefordert. Vor allem geht es darum, dass e.V. und AG nicht länger oder schon wieder gegeinander, sondern miteinander arbeiten. Denn den Eindruck kann man leider gewinnen, wenn man die aktuellen Entwicklungen betrachtet. Den Eindruck, dass es sich weiterhin um einen ständig schwelenden Konflikt zwischen den beiden Organen des VfB handelt.

Denn Sven Mislintat sieht „sein Projekt“ in Gefahr: Er hat im Aufsichtsrat seine Idee bei der Neubesetzung der Positionen vorgelegt und wurde danach offensichtlich nicht weiter eingebunden. Er, intern stets ein Freund des offenen Wortes, sucht nun den Weg über die Medien und sagt im Interview mit der StZ/StN zum Ausdruck (Plus-Content), dass er es für ideal hielte, wenn Markus Rüdt, Thomas Krücken berufen werden würden. Oder gar Mislintat selbst? Er sagt: Mir persönlich ist dieser Posten dabei nicht wichtig, und ich habe auf Nachfrage deutlich signalisiert, dass ich im Rahmen eines solchen Konstruktes bereit wäre, meinen Vertrag auch als Sportdirektor bis 2024 zu verlängern.” Vogt und der Aufsichtsrat haben vermutlich andere Vorstellungen, siehe die geleakten Informationen im SportBILD-Artikel letzte Woche. Umso heikler, da Mislintat seine mittelfristige Zukunft als Sportdirektor und/oder -vorstand offenbar an die Presonalentscheidung knüpft.

Nein, der VfB darf sich nicht von Personalien abhängig machen, aber es wäre fahrlässig, wenn der Club Mislintat verlieren würde. Eine Person, von der die Süddeutsche Zeitung schreibt, es sei “möglicherweise sein ewiges Verdienst, dass er diesem ein Jahrzehnt lang wild herumschlingernden Traditionsverein ein paar beachtliche Leitplanken verpasst hat.” Zumal Mislintat in einer Doppelrolle beim VfB steckt: Er muss einerseits Sanierer über Transfereinnahmen sein (über früh verpflichtete Talente) und muss gleichzeitig die sportliche Entwicklung voran treiben.

Nicht nur am Spielfeldrand sieht man: Mislintat hat Bock auf den VfB – aber nur zu seinen Bedingungen. Wie geeignet wäre er als Sport-Vorstand? Sagte er nicht in der Vergangenheit, der Titel sei ihm nicht wichtig? Strebt er das Amt nur an, um eine möglichst großes Maß an Gestaltungsfreiheit zu behalten? Denn von Hitzlsperger hatte er bisher wenig zu befürchten, der ließ in stets gewähren. Können Rüdt und Krücken Sport-Vorstand oder sind sie auf ihren augenblicklichen Positionen nicht genau richtig?

Claus Vogt befindet sich nicht gerade in einer komfortablen Situation: Seine Personalantscheidungen müssen jetzt sitzen und sollte der VfB den Entwickler und Fan-Liebling Mislintat verlieren, bläst dem Präsidenten sicher ein Sturm der Kritik entgegen. Ich würde in der Personalie Mislintat ungern von ihm den Satz hören, den er nach der Bekanntgabe von Hitzlspergers Absage, den Vertrag zu verlängern, sagte: „Wir bedauern, dass er seine Tätigkeit für unseren VfB nicht fortsetzen möchte. Wir hätten gerne mit ihm weiter zusammen gearbeitet, aber wir akzeptieren natürlich seine Entscheidung!“

Der Ball liegt in Vogts Hälfte.

Foto: Matthias Hangst/Getty Images

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