Çalhanoğlu so gut wie nie: Viel falsch und doch alles richtig gemacht? | OneFootball

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Niklas Levinsohn·18. Dezember 2021

Çalhanoğlu so gut wie nie: Viel falsch und doch alles richtig gemacht?

Artikelbild:Çalhanoğlu so gut wie nie: Viel falsch und doch alles richtig gemacht?

Zu sagen, dass Hakan Çalhanoğlu in seiner Karriere polarisiert hat, wäre ein Understatement. Für viele mag er ein Söldner sein, aber aktuell ist er vor allem eines: in Topform.

Wenn es darum geht, einen Spieler nicht zu mögen, sind sich die Fanlager wohl bei kaum einem Kicker so einig wie bei Hakan Çalhanoğlu. In Deutschland spielte der Mittelfeldmann für Karlsruhe, den HSV und Bayer Leverkusen. Überall hinterließ er mindestens einen bitteren Nachgeschmack, meistens schon eher verbrannte Erde. Das erste Feuer hatte der heute 27-Jährige schon gelegt, bevor er überhaupt die Profibühne betrat.


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2012 band er sich für vier Jahre an den KSC, unterschlug dabei aber, dass er im Jahr davor schon einen Vorvertrag in der Türkei bei Trabzonspor unterzeichnet hatte. Die Quittung erhielt Çalhanoğlu mit fünfjähriger Verspätung. Der Internationale Sportgerichtshof CAS brummte ihm in der Saison 2016/17 eine viermonatige Sperre auf. Ausbaden musste die schon nicht mehr Karlsruhe, sondern Bayer Leverkusen.

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Damals war Çalhanoğlu noch minderjährig, den Vertrag beim Klub aus der Süper Lig hatte der Vater in seinem Namen unterschrieben. Wäre das alles, was man über Çalhanoğlu wüsste, wäre man also fast schon geneigt, Mitleid mit dem so begnadeten Rechtsfuß zu haben. Nur hat sich auch der volljährige Çalhanoğlu in den Jahren danach eben nicht gerade als Mann mit feinjustiertem moralischen Kompass präsentiert.

Dafür schon eher als Mann mit einem Hang zum schnellen Sinneswandel. 2013/14 spielte er seine erste Saison für den HSV. Unterschrieben hatte Çalhanoğlu in Hamburg schon im Jahr davor, ließ sich aber noch mal für eine Spielzeit nach Karlsruhe ausleihen. Bei den Rothosen erlebte er eine turbulente Debütsaison, an deren Ende auch dank der elf Tore von Çalhanoğlu der Klassenerhalt über den Umweg der Relegation stand.

Ein Mann, kein Wort

Noch während besagte Saison lief, verkündete der 66-fache türkische Nationalspieler im Februar 2014 auf Twitter: „Hab meinen Vertrag vorzeitig bis 2018 beim HSV verlängert“. Drei Monate später schrieb er auf demselben Account ohne erkennbares Schamgefühl: „HSV bleibt 1. Liga und ich habe mit 11 Toren zur Rettung beigetragen. Jetzt will ich #Championsleague spielen. Ist auch wichtig für #EM2016“.

Champions League, die sollte ihm sein neuer Wunschklub Bayer Leverkusen bieten. Die Posse, die anschließend folgte, ist hinlänglich bekannt. Deshalb halten wir es kurz: Çalhanoğlu ließ sich beim HSV wegen mentaler Probleme krankschreiben, bekam seinen Willen und kehrte in Leverkusen schließlich putzmunter auf den Trainingsplatz zurück. Nach zweieinhalb sehr ordentlichen Jahren bei der Werkself holte ihn dann die Vergangenheit ein.

Wie es sich für einen guten Arbeitgeber gehört, stellte sich Leverkusen hinter den gesperrten Çalhanoğlu. Als die vier Monate vorbei waren, war auch die Saison vorbei. Çalhanoğlu wechselte für etwas mehr als 23 Millionen Euro zum AC Mailand. Seitdem ist der so gefährliche Standardschütze in Deutschland etwas von der Bildfläche verschwunden. Im Sommer war der gebürtige Mannheimer hierzulande aber doch noch mal Thema.

Trotz sportlich achtbarer Leistungen schaffte es Çalhanoğlu nämlich, sich im roten Teil von Mailand zur Persona non grata zu machen. Wie? Indem er ablösefrei ausgerechnet zu Stadtrivale Inter wechselte. Eine Nachricht, die bei Ex-Klubs und Ex-Fans wohl eher amüsiert als überrascht zur Kenntnis genommen wurde. War sie für viele doch nur die logische Fortsetzung einer Karriere, die bislang vor allem dem Prinzip der Prinzipienlosigkeit folgte.

Alles richtig gemacht?

Dass er Anfang November im Mailand-Derby für Inter traf und dabei auch noch aufreizend jubelte, passt ins Bild. Was, und nur deshalb wird die Akte Çalhanoğlu hier überhaupt noch mal aufgerollt, jedoch all dem gegenübersteht, ist sein persönlicher Erfolg. Wer darauf wartet, dass sich der 27-Jährige früher oder später mal sportlich vergaloppiert, der wartet bislang nämlich vergeblich. Noch ist jede Rechnung in Çalhanoğlus Karriere ausnahmslos aufgegangen.

Er ist 27, spielt beim amtierenden italienischen Meister und wurde in der Serie A gerade zum Spieler des Monats November gekürt. In den letzten sechs Partien hat Çalhanoğlu fünf Mal getroffen und drei weitere Tore vorbereitet. Eine Ecke hat er direkt verwandelt. Vergangenen Sonntag nagelte er die Kugel gegen Cagliari aus 20 Metern in den Winkel. Auch dank ihm ist Inter inzwischen wieder Tabellenführer und die zurzeit wohl formstärkste Mannschaft Italiens.

Artikelbild:Çalhanoğlu so gut wie nie: Viel falsch und doch alles richtig gemacht?

Çalhanoğlus Vertrag bei Inter läuft bis 2024. Nach nicht einmal einer Halbserie mag das arg verfrüht klingen, aber es könnte in seiner Karriere der erste sein, den er tatsächlich erfüllt. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der Zehner sowohl für Karlsruhe und den HSV als auch vielleicht sogar für Leverkusen und Milan zu talentiert war. Inter dagegen wirkt wie genau die Kragenweite Klub, die Çalhanoğlus Potenzial sehr passgenau abbildet.

Sollte er, den sie schon mehr als einmal Söldner geschimpft haben, also nun doch sesshaft werden? Wenn er weiterhin so spielt, wie er es gerade tut, und dabei mit Inter auch noch erfolgreich ist, warum nicht? Dann hat Çalhanoğlu vielleicht doch alles richtig gemacht. Nicht für sein Image in Deutschland und nicht für all die Fans, die er auf dem Weg vergrault hat. Aber eben für sein persönliches Glück. Im Zweifelsfall dürfte ihm das am wichtigsten sein.