BVB: Welches System passt besser? Teil 1: Dreierkette | OneFootball

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·28. November 2020

BVB: Welches System passt besser? Teil 1: Dreierkette

Artikelbild:BVB: Welches System passt besser? Teil 1: Dreierkette

„Was ist das sinnvollste System für Borussia Dortmund? Vierer- oder Dreierkette?“, eine Frage, welche nahezu wöchentlich seitens der Presse und in den sozialen Medien diskutiert wird. Im folgenden Artikel werden die Dreierkette und ihre Vorteile für den BVB präsentiert.

  1. BVB: Favre ließ Viererkette trainieren
  2. Die Rollen von Zagadou und Can
  3. Etliche Spieler profitieren von der Dreierkette

BVB: Dreier- oder Viererkette?

Insbesondere aufgrund der unglaublichen Offensivqualitäten von Ex-Dortmunder Achraf Hakimi überzeugte der BVB nach Systemaufstellung vergangene Saison, doch es war nicht nur der Marokkaner der sich in diesem System deutlich wohler fühlte: Auch Spieler wie Raphael Guerreiro, Mats Hummels, Dan-Axel Zagadou, Julian Brandt und Jadon Sancho profitierten unheimlich von der neuen Grundordnung – nahezu die gesamte erste Elf.


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Trotz des errungenen Erfolges mit dieser Spielweise und Spielern, die sich wie Guerreiro öffentlich für die Dreierkette aussprachen, betonte Cheftrainer Lucien Favre immer wieder, dass er eigentlich die Viererkette in seiner Spielphilosophie bevorzugt und diese Grundordnung auch gerne wieder öfters auf den Platz bringen würde. Auch aufgrund von Personalproblemen ließ der Schweizer sein Team in der Vorbereitung regelmäßig mit einer Viererkette auflaufen. „Wir werden sehen, ob es möglich ist mit Viererkette zu spielen“, sagte der Schweizer in einem Interview mit den ansässigen Ruhr Nachrichten. Der Wechsel von Vierer- auf Fünferkette sei einfacher, so Favre weiter.

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Dem BVB fehlte es an Durchschlagskraft

Zu Beginn der Saison lief der BVB dann doch mit einer Dreierkette auf. Allerdings ohne Schlüsselspieler Achraf Hakimi, welcher nach seiner Leihe von Real Madrid an Inter verkauft wurde. Dafür nun mit einem zwar langsameren, dennoch offensiv denkenden, aber vor allem defensiv zuverlässigeren Thomas Meunier. Auch er wird zum Schlüsselspieler, was jedoch auch seine Schattenseite hat. Es fehlte deutlich an Durchschlagskraft über den rechten Flügel und das geplante Durchbrechen über die Außen wurde schwieriger. Das zwang den BVB zu anderen Lösungen in der Erarbeitung von Chancen, doch dies gestaltete sich schwierig.

Favres Lösung? Die Viererkette, die ihm einen weiteren Spieler in der Offensive gibt. Die Ergebnisse waren seit der Umstellung sehr gut, genauer gesagt gewann Dortmund die ersten vier Spiele nach der Umstellung mehr als souverän und verlor einzig gegen die wohl übermächtigen Bayern knapp mit 2:3, auch wenn man dem Rekordmeister einen ordentlichen Schlagabtausch lieferte.

Doch dabei passt der Kader doch eigentlich besser zur Dreierkette, oder nicht? Was spricht also gegen und für die einzelnen Systeme? Im ersten Teil wird sich mit Borussia Dortmunds Dreierkette beschäftigt.

BVB: Zügiger Spielaufbau dank Zagadou

Vergangene Saison machte Dan-Axel Zagadou einen gewaltigen Entwicklungssprung und entwickelte sich zur absoluten Stütze im Dortmunder Defensivverbund, in welchem der Franzose gerade mit seiner mutigen und somit auch linienbrechenden Spielweise das Aufbauspiel des BVB variabler, aber vor allem schneller gestaltete. Dass Mats Hummels eine absolute Waffe im Aufbauspiel ist und hier definitiv zu den besten Verteidigern der Welt gehört, ist kein Geheimnis. Dementsprechend wurde dieser auch öfters im Aufbau zugestellt, was mit zwei weiteren extrem spielstarken Defensivpartnern kein Problem darstellte. Denn mit Zagadou hatte der BVB einen weiteren Schlüsselspieler im Aufbau, welcher mit seiner Pressingsresistenz und starker Technik sehr gerne andribbelt, woraufhin er mit seinem linken Fuß linienbrechende Pässe in die Halbräume spielt. Davon profitierten insbesondere Spieler wie Julian Brandt oder Jadon Sancho, die ihre Stärken dort sofort ausspielen können.

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Der Spielaufbau konnte zügig erfolgen und es wurde direkte sowie unmittelbare Torgefahr erzeugt. Eine Komponente, welche Dortmund in einem Viererketten-System tendenziell abgeht, denn nicht nur läuft der Spielaufbau hier hauptsächlich über Axel Witsel, ebenso ist die linke Innenverteidigerseite klar für Abwehrchef Hummels reserviert. Rechts spielt dieser sehr ungerne und selbst wenn er das würde, wäre die Defensive in der Kombination mit Linksfuß Zagadou in Sachen Geschwindigkeit stark limitiert. Dies würde eine extreme Konteranfälligkeit nach sich ziehen.

Geht man davon aus, dass Lucien Favre die Vorteile des Systems als wichtig genug empfindet, um Zagadou möglichst mit Hummels in der Startelf zu kombinieren, kommt der Schweizer aufgrund der bereits näher erläuterten Probleme nicht um die Dreierkette herum – doch wer übernimmt den dritten Platz? Zwar bietet sich der wiedererstarkte Manuel Akanji an, doch es kehrte erst neulich ein weiterer Leistungsträger zurück, welcher auf dieser Position seine Qualitäten am besten umsetzen kann. Die Rede ist von Emre Can.

Emre Can: Innenverteidiger-Rolle passt ihm besser

Der 20 Millionen Euro schwere Transfer vom deutschen Nationalspieler, der zuvor für Juventus auflief, hat sich für den BVB in vielerlei Hinsicht gelohnt. Hauptsächlich überzeugt Can allerdings mit seiner Präsenz und Mentalität auf dem Platz. Er brachte die oftmals vermisste Härte in das Dortmunder Spiel. Anfangs machte der gebürtige Frankfurter dies hauptsächlich über seine Position im zentralen Mittelfeld. Doch schon mit Bekanntgabe der Verpflichtung gab es viele Anzeichen dafür, dass er eigentlich für die Verteidigerposition geholt wurde. Auch Can selbst möchte hauptsächlich auf dieser Position eingesetzt werden. Dort rechnet er sich, berechtigterweise, größere Chancen auf einen Platz in der Nationalmannschaft aus.

Genauso wie Zagadou dribbelt Can sehr gerne mit einer gewissen Wucht, welche gerade auf seine Körperlichkeit zurückzuführen ist, an. Hiermit zieht er mehrere Gegenspieler auf sich, woraus sich Anspielmöglichkeiten im Aufbau ermöglichen. Muss Emre Can auf engem Raum einen Ball verarbeiten und im Anschluss eine strategisch kluge Entscheidung treffen, machen sich Schwächen bemerkbar. Zwar ist der 26-Jährige technisch ziemlich sauber, offenbart allerdings eine Anfälligkeit im Bereich der Pressingresistenz. Dieser ist im Mittelfeld aber nun einmal unabdinglich. Eine Position weiter hinten erhält er den Ball jedoch mit Blick auf das ganze Spiel. Dort dürfte er recht selten sofort hoch angelaufen werden.

Can mit Einfluss auf die Offensive

Dazu liegt es von hier aus nicht an ihm, die elementaren strategischen Entscheidungen zu treffen und sich unter Rundum-Druck zu befreien. Statt raumöffnender Pässe erfolgen von Can Läufe durch das Mittelfeld, die für das Offensivspiel von hoher Bedeutung sein können. Dies wurde zuletzt vor dem Ausgleich gegen die Hertha ersichtlich. Favre verzichtet durch die Positionierung von Can als Innenverteidiger nicht auf seine Offensivqualitäten. Beim 1:0-Heimsieg vergangene Saison gegen Hertha BSC traf der 26-Jährige selbst nach einer feinen Kombination zum Sieg, obwohl er eigentlich als Innenverteidiger aufgeboten wurde. Genauso zieht er gelegentlich Läufe eines klassischen Außenverteidigers an um die von Favre geforderte Überzahl auf den Außen zu generieren.

Aber nicht nur passt Emre Can von seinen Fähigkeiten aus individueller Sicht besser auf diese Position, genauso rundet er mit seiner Geschwindigkeit und aktiverem Zweikampfverhalten die Defensivkombination bestens ab. Sollte sich Hummels beim Antizipieren mal verschätzen, könnte Can dies mit seinen Qualitäten perfekt ausgleichen.

Es lässt sich somit zusammenfassen, dass die Rolle nicht nur perfekt Cans Schwächen kaschiert, sondern genauso auch automatisch einen unmittelbaren Mehrwert für das Team darstellt. Somit passt die Dreierkette wiederholt besser zum Skillset einzelner Schlüsselspieler. Im Grund ist die gesamte Kaderplanung eigentlich auf dieses System ausgelegt.

BVB: Mangel an Flügelspielern

Mit Jadon Sancho, Giovanni Reyna, Raphael Guerreiro, Thorgan Hazard und mit Abstrichen Marco Reus sowie Julian Brandt gibt es ingesamt sechs Spieler, welche nominell auf den Flügeln eingesetzt werden könnten und von dort aus vermeintlich den größten Mehrwert für die Mannschaft bieten würden. Doch ist das wirklich so? Die Antwort lautet: Nein. Zumindest nach der klassischen Definition eines Flügelspielers, welcher an der Grundlinie „klebt“ und mit viel Tempo, sowie 1vs1-Qualitäten, den Unterschied macht. Von all diesen Spielern ist einzig Hazard jemand, welcher von seiner Grundeinstellung kein Problem mit einer Ausrichtung ganz außen an der Seitenlinie hat und von dort aus seine Qualitäten einbringen kann. Die anderen genannten Spieler ziehen oft in die Mitte, verzögern gerne und spielen vor allem lieber den entscheidenden Pass, anstatt mit hohem Tempo in Richtung Tor oder Grundlinie zu dribbeln.

Vom Spielertyp sind sie alle eher „Vorbereiter“ als „Abschlussspieler“ und durch die Grundpositionierung schon leicht in ihrem Spiel eingeschränkt. Zwar ist es gut möglich, dass beide Außen trotz Viererkette zentraler agieren, doch nicht nur überlädt man hiermit viel zu stark das Zentrum, falls hier ein echter Zehner wie z. B. Julian Brandt aufgeboten wird, nein, es fehlen ebenso die im hohen Tempo überlaufenden Außenverteidiger.

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Im Gegensatz hierzu stehen die Außenverteidiger in einem Dreierketten-System von Natur aus deutlich höher. Sie können ohne schwerwiegende Defensivsorgen in Richtung Grundlinie hinterlaufen, da es defensiv weitere Absicherung in Form eines zusätzlichen Halbraumverteidigers gibt. Genauso besetzen die Flügelspieler im Aufbau die Halbräume, von wo aus sie ihre Stärken besser ins Spiel einbringen können. Gerade Jadon Sancho ist in dieser Position deutlich besser aufgehoben. Der Engländer kann von hier aus mit seiner größten Stärke in Form von Passsicherheit in Kombination mit seiner Spielintelligenz die entscheidenen Nadelstiche setzen.

Auch hier gilt mal wieder: Schwächen kaschiert und Stärken besser hervorgehoben. Doch wir sind nicht am Ende mit diesem Satz, denn dieser gilt auch für die Außenverteidiger des BVB.

BVB: Hazard als interessante Option

Mit Raphael Guerreiro hat man auf der linken Seite einen Spieler, welcher vergangene Saison auf acht Tore und drei Assists kam. Alles ausgehend von der linken Schienenposition im 3-4-3 und somit der unmittelbare Beweis für seine unglaublichen Qualitäten im letzten Angriffsdrittel. Aber gerade ein wenig weiter hinten auf dem Feld ist der 26-Jährige beim Überspielen des gegnerischen Pressings und dem Initiieren von Kombinationen elementar wichtig. In diesen Aktionen ist Guerreiro deutlich öfter involviert, wenn er als Schienenspieler und nicht als linker Verteidiger in einer Viererkette eingesetzt wird.

Dies gilt auch für sein Pendant auf der rechten Seite, Thomas Meunier, welcher seine Stärken primär bei den letzten Pässen in den Strafraum sieht. Einst wurde der Belgier als Stürmer beim FC Brügge ausgebildet, dementsprechend offenbart er vereinzelt auch Probleme im Stellungsspiel. Generell ist seine Rückwärtsbewegung zu bemängeln. Aktuell überzeugt der Ex-Pariser beim BVB nicht ganz. Dennoch findet er regelmäßig in die Startelf der Borussen. Dabei gibt der Kader der Dortmunder eine interessante Lösung her. Die Rede ist von Thorgan Hazard. Dieser bringt nicht nur offensiv die nötige Kombinationsstärke mit sich, sondern defensiv auch die notwendige Arbeitsrate und Bissigkeit im Zweikampf.

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BVB: Absicherung durchs Mittelfeld

Diese Attribute treffen wiederum nicht auf Guerreiro zu. Zwar überzeugt der Europameister von 2016 mit einer starken Antizipation und gutem Stellungsspiel, was ihm erlaubt den Ball öfters gezielt abzufangen, aber um die Linie rauf und runter zu rennen, fehlt ihm das Tempo. In den unmittelbaren Zweikämpfen fehlt der Nummer 13 des BVB dazu eine gewisse körperliche Robustheit. Es wäre zwar genauso möglich zu argumentieren, dass sich Guerreiro und einer aus Meunier oder Hazard im Spiel selbst unabhängig von Grundordnung weiter vorne positionieren. Doch gerade im Spiel gegen die Bayern sicherte hauptsächlich Delaney die linke Abwehrseite ab und simulierte somit eben eine Dreierkette. Sie ist also notwendig, da sonst aus der Sicht von Favre zu viele Freiräume vorhanden wären.

Auch hier zeigt sich: Die Dreierkette gibt dem BVB die nötige Absicherung, sodass Guerreiro, Meunier und andere Spieler auf diesen Positionen ihre Stärken ausspielen und die defensiven Schwächen möglichst kleingehalten werden können.

Die Dreierkette scheint also ein geeignetes System für Borussia Dortmund und den dortigen Kader zu sein. Warum also legte Favre so viel Wert auf das Einstudieren der Viererkette? Die Vorteile dieses Systems werden morgen in einem zweiten Teil präsentiert.

Jan Perret

Foto: Imago

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