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·14. April 2021

Borussia und Adi Hütter: Ein Coup mit schalem Beigeschmack

Artikelbild:Borussia und Adi Hütter: Ein Coup mit schalem Beigeschmack

Borussia Mönchengladbach angelt sich Adi Hütter als Nachfolger von Marco Rose. Aus sportlich professioneller Sicht ist es ein Coup, den Sportdirektor Max Eberl gelandet hat. Der Blick darüber hinaus zeigt aber, dass die Medaille zwei Seiten hat.

Borussia Mönchengladbach hat die Suche nach einem Trainer für die neue Saison abgeschlossen. Zu Wochenbeginn gab Wunschkandidat Adi Hütter sein okay und teilte seinem derzeitigen Arbeitgeber Eintracht Frankfurt mit, dass er von seiner vertraglich fixierten Ausstiegsklausel Gebrauch machen und die Eintracht im Sommer in Richtung Mönchengladbach verlassen werde. Die Gladbacher erklärten sich wiederum bereit, die im Zusammenhang mit der Klausel vereinbarte Ablösesumme zu zahlen, die sich dem Vernehmen nach auf satte 7,5 Millionen Euro belaufen soll.


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Soweit die Gegebenheiten. Aus sportlich professioneller Sicht ist Sportdirektor Max Eberl fraglos ein Coup gelungen. Adi Hütter hat in Frankfurt, aber auch auf seinen vorherigen Stationen erstklassige Referenzen erworben. Er verfügt – anders als Marco Rose – über reichlich Erfahrung im Profibereich und gilt gleichzeitig als innovativer und moderner Trainer. Der Österreicher steht für attraktiven Fußball und hat nachgewiesen, dass er aus unterschiedlichen Kadern nahezu das Optimum herausholen kann und zudem einzelne Spieler sowohl individuell als auch mannschaftstaktisch besser macht. Kurzum – der 51-Jährige ist ein Top-Trainer und sollte dafür sorgen, dass auf dem Cheftrainerposten bei Borussia kein Qualitätsverlust erkennbar sein wird – im Gegenteil.

Alles sauber, alles gut – oder doch nicht?

Auch aus finanzieller Sicht hält sich die Verpflichtung von Hütter für Gladbach noch im Rahmen. Für den »wichtigsten Mann im Bereich Sport« (Max Eberl) zahlen die Borussen zwar die kolportierte Rekordablöse von 7,5 Millionen Euro, allerdings kassieren sie auch rund 5 Millionen aus Dortmund für Rose. Damit liegt die Investition in einem heutzutage vertretbaren Rahmen. Dass Hütter bei Borussia ein üppiges Gehalt beziehen wird, ist kein Geheimnis. Aber die Zeiten, in denen die Trainer neidisch auf die Gehaltszettel ihrer Spieler schielen mussten, sind lange vorbei.

Bei der Abwicklung der ganzen Angelegenheit hat sich Max Eberl tadellos verhalten. Er hat es zähneknirschend, aber professionell akzeptiert, dass Marco Rose vollkommen legitim von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch gemacht hat. Und er hat es genauso geschäftsmäßig ausgenutzt, dass Adi Hütter ebenfalls über eine solche Klausel zu bekommen war. Alles sauber, alles gut – oder doch nicht?

Legt man diese Messlatte nun bei Adi Hütter an, dürften sehr, sehr viele Gladbachfans Schnappatmung bekommen

Rein pragmatisch gesehen gibt es keine Einwände hinsichtlich der Korrektheit des Deals. Doch die Empörung, als Marco Rose seinen Abgang verkündete, ist jedem Gladbacher noch in Erinnerung. Rose wurde an den Pranger gestellt, als Verräter gebrandmarkt und quer durch die Fanlandschaft als unwürdig erachtet, weiter Trainer der Borussia zu sein. Er wurde als karrieregeile Ich-AG aus dem Red-Bull-Stall beschimpft und wären die Fans nicht coronabedingt ausgesperrt, hätte das Ganze wohl eine noch heftigere Dynamik bekommen.

Obwohl Rose sich korrekt verhalten hat, galt und gilt er aus moralischer Sicht für den Großteil der Anhänger der Borussia als Persona non grata. Auch die organisierten Fans machten deutlich, dass die ‚Werte der Borussia‘ andere seien, als Rose sie repräsentiere. Legt man diese Messlatte nun bei Adi Hütter an, dürften sehr, sehr viele Gladbachfans Schnappatmung bekommen. Anders als Rose hatte sich Hütter (»Ich bleibe«) vor anderthalb Monaten öffentlich noch klar zur Eintracht bekannt, um in den letzten Wochen ähnlich wie Rose bei entsprechenden Nachfragen mit schwammigen Statements zu reagieren.

Im Gegensatz zu Rose ist Hütter sogar wortbrüchig geworden

Jetzt geht Hütter und nun fühlen sich die Eintracht-Fans verständlicherweise hintergangen. Im Gegensatz zu Rose ist Hütter sogar wortbrüchig geworden. Und auch wenn Hütter gute Gründe dafür haben wird, seine Meinung geändert zu haben und obwohl er sich vertragskonform verhalten hat, können die Gladbachfans, die bei Rose die Moralkeule geschwungen haben, jetzt schwerlich den Hütter-Coup abfeiern.

Wie alle anderen müssen sie sich mit der Erkenntnis abfinden, dass im Big Business Profifußball gewisse Werte reine Folklore und Trainer mittlerweile Projektmanager sind – und ihr wichtigstes Projekt die eigene Karriere ist. Die Erwartung, dass Adi Hütter in Gladbach ein zeitlich begrenztes, aber spannendes Projekt auf die Beine stellt und es sportlich erfolgreich werden könnte, ist durchaus angebracht. Doch beim Blick über die reinen Fakten hinaus bleibt ein deutlich schaler Beigeschmack.

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