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·7. Dezember 2024
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Wir schreiben das Jahr 1975. Zwischen kaltem Krieg und heißen Disconächten steckt auch die Fußball-Bundesliga nach ihrer Gründung im Jahr 1963 noch in den Kinderschuhen.
Auch wenn Superstars wie Franz Beckenbauer oder Gerd Müller zunehmend geschäftstüchtiger wurden und langsam aber sicher das große Geld in den Sport einzog, zeigen uns Geschichten wie diese, wie unschuldig und provinziell - wir Fußball-Romantiker würden sagen "ehrlich" - die Bundesliga vor knapp 50 Jahren noch war.
So ist es Mitte der Siebziger noch Usus gewesen, dass Schiedsrichter mit einem schmalen Taler von 24 Mark Tagesspesen entlohnt wurden. Professionelle Strukturen in der ersten Profiliga Deutschlands? Die waren längst nicht überall gegeben!
📸 FRANCK FIFE - AFP or licensors
Doch dass kein Geld für Schiris da war, hieß noch lange nicht, dass die Klubs die Unparteiischen nicht gastfreundlich empfangen hätten. Traditionell nämlich wurde das Schiedsrichter-Trio am Spieltag von der Heimmannschaft mit Speis und Trank versorgt.
Das war auch am 8. November 1975 nicht anders, als Werder Bremen den Nord-Rivalen Hannover 96 empfing. Die Bremer Vereinsführung um Richard Ackerschott lud Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder und seine Assistenten zum gemeinsamen Mittagessen. Den Überlieferungen zufolge kredenzte die Werder-Küche Kohl und Pinkel - ein klassisches Bremer Gericht. Und zweifelsohne eine Mahlzeit, die so manchem seiner Genießer schwer im Magen liegt.
Üblicherweise wird zu Pikel außerdem Bier und Malteser serviert. Malteser ist ein deutscher Aquavit, der auf einem dänischen Rezept basiert und einen Alkoholgehalt von etwa 40 Prozent hat.
Man muss dabei wahrlich kein Zeitzeuge dieser illustren Bremer Mittagsrunde gewesen sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass sich Ahlenfelder getreu dem Motto "viel hilft viel" nicht nur einmal nachgeschenkt hat.
Das blieb auch den Werder-Stars nicht verborgen, als der Schiri eine Stunde vor Anpfiff in der Bremer Kabine stand. Ahlenfelder, der eigentlich dem Masseur zum Geburtstag gratulieren wollte, fand sich nur wenige Minuten später plötzlich unter der Dusche wieder. Weltmeister und Libero-Ikone Horst-Dieter Höttges hatte den beißenden Alkoholgeruch des Unparteiischen bemerkt und diesen darauf hin einer spontanen Ausnüchterungskür unterzogen.
Die Höttges'schen Wasserspiele verfehlten ihre Wirkung nicht, Ahlenfelder stand pünktlich zum Anpfiff auf dem Rasen. Und nicht nur das: Er wirkte unaufgeregt, hatte die Partie so fest im Griff wie seinen Bierkrug eine Stunde zuvor. Doch es sollte noch kurios werden. Nach 32 Minuten pfiff Ahlenfelder völlig aus dem Nichts lauthals in seine Pfeife.
Warum nur? Einen triftigen Grund dafür hatte es nicht gegeben, lag die Halbzeitpause eigentlich noch 13 Minuten in der Ferne. Der damals 31-Jährige erklärte später, dass dieser Pfiff das Produkt eines spontanen, kaum nachvollziehbaren Gemütszustands gewesen sei. Kurzum: Ahlenfelder war voll.
Wieder eilte Höttges herbei und stand dem merklich erheiterten Unparteiischen mit Rat und Tat zur Seite. "Wir haben noch keine Halbzeit. Mein Trikot ist noch nicht nass", soll der Werder-Kapitän gesagt haben. Im Gegensatz zu angeschickerten Ahlenfelder stellte 96-Coach Helmut Kronsbein nordisch-nüchtern fest: "Der Herr ist besoffen."
Obwohl die Fahne des Schiedsrichters eigentlich eher in den Fanblock und weniger auf den Platz gehört hätte, wurde das Spiel im Anschluss fortgesetzt. Mit dem lallenden Ahlenfelder an der Pfeife. Aus dessen Sicht positiv: Wirklich viel passierte nicht mehr. die Partie endete mit 0:0. Sicherlich die einzige Null, die Ahlenfelder an jenem 8. November 1975 gehalten hat.
📸 Bongarts - Bongarts
Der gebürtige Oberhausener avancierte spätestens mit seinem "Drunk-Game" zu einer absoluten Bundesliga-Legende. Bei vielen Spielern war Ahlenfelder aufgrund seiner lockeren Art extrem beliebt, 1984 wurde er vom DFB sogar als Schiedsrichter des Jahres ausgezeichnet.
Ein hohes Maß an Anerkennung genießt der Unparteiische darüber hinaus nicht nur auf den Feldern, sondern auch in den Kneipen dieser Republik. Insbesondere im Großraum der Hansestadt Bremen ist es völlig normal, sich in der Gaststätte einen "Ahlenfelder", also ein Bier samt Malteser-Schnaps, zu bestellen.
Der Mann aus dem Ruhrgebiet dürfte diese Entwicklung erfreut zur Kenntnis genommen haben, hegte er selbst doch folgendes Lebensmotto: "Männer trinken keine Fanta." Und wenn dann nur mit einem gehörigen Schuss Korn!
📸 Bongarts - Bongarts