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·11. Dezember 2024

Big-Game-Truppe und taktische Fragen: Erkenntnisse zum 3:2

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Jude Bellingham ist weiter in Überform, während Carlo Ancelotti in Bergamo taktische Variabilität bewies – Fotos: getty images

1. Erster Big-Win der Saison

Im Liga-Derby gegen Atlético gab es zumindest einen Punkt (1:1), im Clásico (0:4), gegen Milan (1:3) und in Liverpool (0:2) fuhr Real Madrid jeweils eine Nullrunde ein, verlor teilweise blamabel. Fast hätte man meinen können, dass dieses Team der Königlichen in den großen Spielen nicht mehr gewinnen kann, doch der Sieg in der wohl wichtigsten Partie der bisherigen Saison beweist wieder einmal – Big-Game-Real ist (wieder) da! Das Gastspiel in Bergamo (3:2) war – im Gegensatz zu den obengenannten Duellen – das erste Spiel 2024/25, das wirklich vorentscheidenden Charakter hatte, denn bei einer Niederlage wäre selbst die Qualifikation für die Champions-League-Playoffs in ernsthafter Gefahr gewesen. Dabei standen die Vorzeichen denkbar ungünstig: Fünf Ausfälle, Vínicius Júnior und Rodrygo Goes alles andere als fit, Fragen um Kylian Mbappé und seine Form, und ein heißer Gegner, der seit 14 Spielen ungeschlagen war und gerade die Tabellenführung in der Serie A übernommen hatte. Wie das Team von Carlo Ancelotti die Aufgabe unter größtem Druck von der ersten Minute an anging, wie es sich auch von Rückschlägen wie dem plötzlichen Wegfall des sehr guten Mbappé oder dem unglücklichen Ausgleich nicht aus der Ruhe bringen ließ, erinnerte sehr an die letzten Jahre, in denen die Blancos gerade in Drucksituationen regelmäßig zur Höchstform aufliefen. Ein wenig erinnerten die letzten 20 Minuten in Bergamo an das CL-Viertelfinal-Rückspiel in Manchester vergangene Saison, als Real sich fast vollständig auf die Defensive beschränkte und dem Druck des Gegners ebenfalls standhielt. Diese Mannschaft kann weiterhin leiden und viel aushalten, vor allem zeigt sie Charakter, wenn es wirklich darauf ankommt.


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2. Vinícius macht wieder den Unterschied

Kein anderer verkörpert diese königliche Big-Game-Mentalität wie Vinícius Júnior. Kaum wieder genesen, hätte der Brasilianer wohl gar nicht gespielt, wäre es nicht um das nackte Überleben in der Königsklasse gegangen. In der ersten Halbzeit sah man dem 24-Jährigen an, dass er noch nicht soweit ist – eigentlich. Denn kurz nach der Pause war er wieder „Big-Game-Víni“ – erst reagierte er instinktiv nach unfreiwilliger Ederson-Vorlage und traf routiniert zum 2:1, dann schickte der 24-Jährige Bellingham erfolgreich mit einem langen Kroos-Ball auf die Reise zum vorentscheidenden 3:1. Wie so oft in der Vergangenheit, sei es in CL-Endspielen oder Halbfinals, war der Dribbelkünstler der Unterschiedsspieler, der sich außerdem voll in den Dienst der Mannschaft stellte – in weiten Teilen der zweiten Hälfte fungierte Víni als Achter, war eine wichtige Anspielstation im Mittelfeld und sorgte zumindest für vorübergehende Entlastung in Atalantas Druckphasen. Ein weiterer Beweis, dass Vinícius längst nicht mehr nur der Flügelflitzer ist, der auf der linken Seite klebt, sondern inzwischen taktisch sehr variabel einsetzbar ist.

3. Bellingham nicht zu stoppen

Wer oder was soll diesen Jude Bellingham noch stoppen, nachdem jetzt auch in der Champions League der Tor-Knoten geplatzt ist? Nachdem er in LaLiga zuletzt fünf Tore in fünf Spielen in Folge schoss, traf der beste LaLiga-Spieler der letzten Saison endlich auch in der Königsklasse. Der in den letzten Wochen mit Abstand formstärkste Madrilene war auch in Bergamo einer der besten, wenn nicht der beste Blanco. Faszinierend, wie er immer wieder den Ball nach vorne trieb, welche weiten Wege er wieder ging, mit welcher Ruhe und Selbstverständlichkeit er De Roon vor dem 3:1 austanzte und dann trocken abschloss. Auch in Norditalien zeigte sich, dass der Brite in einer etwas freien Rolle im zentralen Mittelfeld am wirkungsvollsten ist, vor allem in Strafraumnähe, wo seine Abschlussqualitäten zum Tragen kommen. Erneut ging der 21-Jährige auch an seine körperlichen Grenzen, bestritt zahlreiche Zweikämpfe und verkörperte wie kein Zweiter den „Niemals-Aufgeben-Geist“. Es wird im weiteren Saisonverlauf enorm wichtig sein, dass er Hilfe bekommt, wie es in Bergamo durch Vinícius, Brahim Díaz oder auch Mbappé bis zu dessen Auswechslung der Fall war.

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4. Ancelotti wird zu taktischem Glück gezwungen

Eines der Erfolgsgeheimnisse des so wichtiges Auswärtserfolgs war auch die taktische Aufstellung von Carlo Ancelotti, der in Bergamo in einer 4-2-3-1-Formation agieren ließ, die sowohl für Durchschlagskraft vorne als auch für genug defensive Stabilität sorgte. Die Doppel-Sechs aus Daniel Ceballos und Federico Valverde entpuppte sich als goldrichtig, zumal der Uruguayer aus der Position immer wieder auch auf der rechten Abwehrseite aushelfen konnte, wo Lucas Vázquez manchmal etwas überfordert wirkte, wenn er es alleine mit Ademola Lookman zu tun bekam. Nicht zuletzt gibt diese Formation vielen Spielern die Möglichkeit, dort zu agieren, wo sie am stärksten sind, siehe Bellingham im zentralen Mittelfeld oder Brahim Díaz auf der rechten offensiven Seite, wo er nicht nur mit seiner Handlungsschnelligkeit und Ballsicherheit eine ständige Gefahr darstellt, sondern mit seiner Pressingsresistenz im Hinblick auf die Defensive eine enorme Stütze und Entlastungsfaktor ist. Reals Coach bewies darüber hinaus auch taktische Variabilität, indem er im zweiten Durchgang, als Atalanta komplett die Kontrolle übernahm, Vinícius ins Mittelfeld zurückzog und so weiter für Kompaktheit und Entlastungsvorstöße sorgte. Ein wenig scheint es – durchaus eine Parallele zur letzten Spielzeit -, als würde der Italiener durch die Verletzungsmisere zu seinem Glück gezwungen werden. Während er in den ersten Monaten der Saison kaum rotieren ließ und Spieler wie Brahim, Ceballos oder Arda Güler kaum eine Rolle spielten, bleibt dem 65-Jährigen inzwischen mit den vielen Ausfällen nichts anderes übrig und siehe da – die genannten Spieler funktionieren, wenn es darauf ankommt, ähnlich wie es 2023/24 beispielsweise bei Brahim der Fall war, der erst durch zahlreiche Ausfälle ins Team rotierte und anschließend in entscheidenden Phasen der Saison ein enormer Faktor war. Warum nicht immer so und warum nicht noch viel häufiger das 4-2-3-1-System?

5. Wird Tchouaméni zum neuen Hierro?

Ja, Aurélien Tchouaméni hatte eine unglückliche Situation, als er sich in der Nachspielzeit der ersten Hälfte einen folgeschweren Stellungsfehler leistete, der anschließend im Elfmeter und Ausgleich für Atalanta resultierte. Davon jedoch abgesehen, agierte der gelernte Mittelfeldspieler wie schon zuvor in Girona durchaus stabil und umsichtig im Abwehrzentrum, wo er eine starke Luftpräsenz hatte, diverse Schüsse abblockte und sehr stark und sicher am Ball war. Während er im Laufe der Saison auf seiner angestammten Position im defensiven Mittelfeld ein ums andere Mal etwas verloren und defokussiert wirkte, scheint es dem 24-Jährigen leichter zu fallen, im Strafraum zu verteidigen, statt der gegnerischen Offensive hinterher zu laufen und gleichzeitig die Zone vor dem Sechzehner zu schützen. Außerdem lastet so weniger Verantwortung auf ihm im Aufbauspiel, da er mit dem Sechser, der sich in bestimmten Phasen zwischen die Abwehrkette zurückfallen lässt (in Bergamo war es Ceballos), nicht kollidiert. Gleichzeitig ist er aus dem Abwehrzentrum heraus mit seiner Ruhe und Ballsicherheit trotzdem ein wichtiger Faktor im Aufbauspiel respektive als Anspielsituation bei gegnerischem Pressing. Ist es für Carlo Ancelotti vielleicht an der Zeit, den französischen Nationalspieler dauerhaft zum Innenverteidiger umzufunktionieren? In der Vergangenheit gab es jedenfalls ein prominentes Beispiel für eine solche Vorgehensweise – Fernande Hierro war ebenfalls gelernter defensiver Mittelfeldspieler, bevor er zu dem legendären Abwehrchef der Königlichen der späten 90er und frühen 2000er Jahre wurde.

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