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·11. Februar 2025

Béla Guttmann: Der Mann, der Benfica verfluchte

Artikelbild:Béla Guttmann: Der Mann, der Benfica verfluchte

Er revolutionierte den Fußball, entdeckte Eusébio und führte Benfica an die europäische Spitze. Doch als man ihm die Anerkennung verweigerte, sprach er einen Fluch aus – einen, der bis heute anhält. Sein Name: Béla Guttmann.

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Als das Erbe von Béla Guttmann 2001 in Kassel versteigert wurde, passte sein gesamtes Leben in zwei Bananenkartons und einen alten Koffer. Ein paar persönliche Gegenstände, Briefe, Dokumente – mehr blieb nach seinem Tod 1981 nicht übrig. Auch die Erinnerung an den Mann, der den modernen Fußball prägte wie kaum ein anderer, verblasste mit der Zeit. Dabei war Béla Guttmann einer der einflussreichsten Trainer der Geschichte, ein ruheloser Visionär, der den Fußball revolutionierte, Benfica Lissabon verfluchte – und Zeit seines Lebens vor Antisemitismus und Neuanfängen getrieben wurde.

Ein Leben auf der Flucht – vor Antisemitismus und Mittelmäßigkeit

Béla Guttmann wurde 1899 in Budapest als Sohn eines jüdischen Tanzlehrers geboren. Die Liebe zur Bewegung wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Während sein Bruder Arzt wurde, entschied sich Béla für den Fußball. Als Mittelläufer zählte er schnell zu den besten Spielern Ungarns – doch sein Talent allein reichte nicht aus. Immer wieder stellte sich ihm seine Herkunft in den Weg.

1921 floh er vor den judenfeindlichen Gesetzen des Miklós-Horthy-Regimes nach Wien. Mit Hakoah Wien, einem der stärksten jüdischen Vereine Europas, feierte er 1925 die österreichische Meisterschaft. Doch auch in Wien schlug ihm offene Feindseligkeit entgegen. „Die antisemitische Hetze gegen uns war stark, sie schrie uns von den Tribünen entgegen,“ erinnerte er sich später.

Nach einer erfolgreichen Tournee durch die USA blieb Guttmann 1926 in New York. Er spielte für die New York Giants, betrieb eine Tanzschule und gründete eine Showfußball-Truppe, die mit spektakulären Tricks das Publikum begeisterte – lange bevor es die Harlem Globetrotters im Basketball gab. Doch der Börsencrash von 1929 machte seine Pläne zunichte. Ohne Geld kehrte er nach Europa zurück und begann seine Trainerkarriere.

Ein Getriebener an der Seitenlinie

Béla Guttmann war nie ein Trainer, der lange an einem Ort blieb. Sein Credo lautete: „Im dritten Jahr wird’s meistens peinlich.“ Für ihn war ein Trainer wie ein Löwenbändiger – sobald er Unsicherheit zeigte, war er verloren.

Diese Philosophie prägte seine Karriere. Nach Stationen in Enschede und Budapest führte er Újpest 1939 zur ungarischen Meisterschaft und zum Sieg im Mitropapokal – dem Vorläufer der Champions League. Doch dann kam der Krieg.

Wie Guttmann den Holocaust überlebte, bleibt unklar. Manche Quellen behaupten, er habe sich versteckt, andere, er sei in ein Arbeitslager deportiert worden. „Mein Vater sprach nie darüber,“ erzählte sein Sohn später. Sicher ist: Sein Bruder, seine Schwester und sein Vater wurden in Auschwitz ermordet.

Nach dem Krieg wurde er rastloser denn je. Stationen in Italien, Rumänien, Argentinien und Zypern folgten. Immer wieder kämpfte er gegen Vorurteile. 1955, als er den AC Milan auf Meisterschaftskurs brachte, wurde er trotz sportlicher Erfolge entlassen – offiziell wegen Differenzen mit der Vereinsführung, inoffiziell spielte wohl seine jüdische Herkunft eine Rolle. Guttmann kommentierte trocken: „Man hat mich gefeuert, obwohl ich weder kriminell noch schwul bin. Auf Wiedersehen.“

Die Revolution des Weltfußballs

Seinen größten Triumph feierte er in Portugal. Bei Benfica Lissabon formte er eine Mannschaft, die Europas Fußballwelt erschütterte. Sein wohl bedeutendster Coup war die Entdeckung eines gewissen Eusébio.

Guttmann hörte von dem Wunderstürmer während eines Friseurbesuchs. Ein Kunde pries den Jungen aus Mosambik an – Guttmann flog sofort hin, schmuggelte Eusébio an konkurrierenden Clubs vorbei nach Lissabon und formte ihn zum Weltstar. 1961 und 1962 führte er Benfica zum Gewinn des Europapokals der Landesmeister – und beendete damit die jahrelange Vorherrschaft von Real Madrid.

Doch dann kam der Bruch. Trotz der Erfolge verweigerte Benfica seinem Trainer eine Gehaltserhöhung. Wutentbrannt verließ er den Klub – nicht ohne einen Fluch auszusprechen: „In den nächsten 100 Jahren wird Benfica nie wieder einen Europapokal gewinnen.“ Der Fluch hat bis heute Bestand. Benfica stand seither in acht Europacup-Endspielen – und verlor sie alle. Selbst Eusébio pilgerte 1990 zu Guttmanns Grab in Wien, um ihn um Vergebung zu bitten – vergeblich.

Das Ende eines Pioniers

Nach Benfica ging es für Guttmann bergab. Er versuchte es noch einmal in Uruguay, Griechenland, Österreich und Portugal – doch der Fußball hatte sich verändert, und er verlor den Anschluss. 1974 beendete er seine Karriere endgültig.

Als er 1981 in Wien starb, war sein Name weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Ideen, mit denen er den Fußball revolutionierte, lebten jedoch weiter. Das 4-2-4-System, das er in Brasilien etablierte, das schnelle, offensive Passspiel, das er in Europa perfektionierte, und die Rolle des Trainers als eigenständige, mächtige Figur – all das prägte Generationen. Der Fußball behielt viel von ihm.Doch von ihm selbst blieb kaum etwas. Keine großen Ehrungen, keine Denkmäler. Nur ein paar Briefe, einige Dokumente und ein alter Koffer, der Jahre nach seinem Tod versteigert wurde. Ein bescheidener, fast tragischer Nachlass für jemanden, der die Geschichte des Spiels für immer verändert hat.

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