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Max von Stuckrad-Barre·11. Juni 2022

Back to Borussia Barcelona: Bringt er Guardiola zurück in die Bundesliga?

Artikelbild:Back to Borussia Barcelona: Bringt er Guardiola zurück in die Bundesliga?

Die Zeit eines Genies ist kostbar. Deshalb schläft Elon Musk oft unter seinem Schreibtisch, deshalb musste Sigmund Freuds Frau ihm morgens die Zahnpasta auf die Bürste schmieren und deshalb guckt Pep Guardiola kurioserweise kaum Fußball.

Gegenüber den ‚Manchester Evening News‘ gab der ManCity-Trainer 2021 an, sich nur dann ein Fußballspiel anzusehen, wenn es „mein Team ist, oder unsere Gegner.“ Für den Rest habe er schlicht keine Zeit. Mit einer Ausnahme.


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„Ich habe eine gute Beziehung zum Norwich-Trainer. Wenn sie spielen, schaue ich ihnen gerne zu,“ bekannte der Katalane. Gute Beziehung? Guckte Pep Guardiola also Norwich-City-Spiele, weil ein alter Kumpel dort Trainer war?

Wohl eher nicht. Beim fraglichen Norwich-Trainer handelte es sich um Daniel Farke, der nun vor einigen Tagen als neuer Coach von Borussia Mönchengladbach vorgestellt wurde.

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Dass zwischen Daniel Farke und Pep Guardiola eine langjährige Freundschaft besteht, ist nicht bekannt, die Beziehung der beiden fußt auf einer anderen Grundlage.

Norwich City ist zwar zweifelsfrei nicht das Team von Pep Guardiola (sondern damals und auch in der nächsten Saison wieder ein englischer Zweitligist), aber es war unter Daniel Farke eins, das Guardiola Freude machte.

Denn Farke, der die „Canaries“ zwischen 2017 und 2021 trainierte, ließ in Norwich, wenngleich mit deutlich begrenzteren Mitteln, gewissermaßen eine Art Guardiola-Fußball spielen. Auf Ballbesitz angelegtes Aufbauspiel mit langen Ballzirkulationen und der sofortigen Beschleunigung bei einer Lücke in der Abwehr.

Zweimal gelang ihm so mit Norwich der Aufstieg in die Premier League. Jetzt soll Farke, der zuletzt in Krasnodar unter Vertrag stand, dort aber nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs kündigte, ohne ein einziges Spiel gemacht zu haben, seinen Ballbesitzfußball nach Gladbach bringen.

Schaut man dabei auf die taktischen Entwicklungen der letzten Jahre in der Bundesliga, heißt das allerdings: Fußball aus einer anderen Zeit.

Kaum noch eine Mannschaft in Deutschland setzt auf ruhigen Spielaufbau. Schnelles Umschaltspiel und ständiges Stressen des Gegners à la Ralf Rangnick sind bei den meisten Bundesligisten die Mittel der Wahl.

Allein acht von 18 Bundesliga-Trainern wurden in der RB-Schule ausgebildet, der Rest orientiert sich mehr oder weniger an ihnen. Ständig den Ball zu haben, ist aus der Mode gekommen.

Im besonderen Fall von Borussia Mönchengladbach ist Ballbesitzfußball aber nicht allein Fußball aus einer anderen Zeit, sondern vor allem: Fußball aus einer besseren Zeit.

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Unter Lucien Favre spielte die Borussia zwischen 2011 und 2015 teilweise so traumwandlerisch passsicher, dass man in Gladbach euphorisch von „Borussia Barcelona“ sprach.

Bei den rasanten Ballstafetten der Fohlen brauchte es dabei manchmal fast das Gladbach-Trikot, um sicher zu wissen, dass es sich bei den Protagonisten nicht um Xavi, Iniesta und Messi, sondern um Filip Deams, Patrick Hermann und Mike Hanke handelte.

Genauso wie es nun durchaus fraglich ist, ob in der heutigen Bundesliga mit Philip Daems und Mike Hanke noch Tiki-Taka-Tore gelingen würden, ist es auch nicht sicher, dass Daniel Farke aus der aktuellen Gladbacher Mannschaft ein neues Borussia Barcelona formen kann.

Nicht viel weniger hat der 45-Jährige allerdings vor, der bei seiner Vorstellung sagte: „Borussia steht in seiner Tradition für viel Ballbesitz, Kombinationsspiel, Dominanz, will Protagonist sein und entscheiden, in welche Richtung das Spiel geht. Der Verein steht für Spielfreude.“

Und eben diese dominante Spielfreude war zuletzt unter Marco Rose und Adi Hütter kaum noch zu sehen. Unter den beiden RB-Lehrlingen wurde das Spiel ohne Ball wichtiger, der Weg zum Tor sollte schneller gehen, doch richtig glücklich wurden Mannschaft und Fans nie damit.

Sollte es Farke nun gelingen, den Ballbesitzfußball wieder dauerhaft in den Borussia-Park zu bringen, könnte er, ähnlich wie Lucien Favre, in Gladbach eine Ära prägen.

Zumal Daniel Farke sich mit dem Ära prägen auskennt. In Norwich wird man den Deutschen so schnell nicht vergessen, bei den Fans war er so beliebt, wie Jürgen Klopp es in Liverpool ist. Seit dem letzten Jahr ziert sogar sein Konterfei die Backsteinwand des Pubs ‚The Fat Cat & Canary‘ in Norwich.

Dass Daniel Farke auch nach seinem Rauswurf im November 2021 noch von den Norwich-Fans geliebt wird, liegt dabei nicht allein am tollen Fußball, den der ostenglische Klub unter ihm spielte, sondern auch daran, dass ihm die Fans am Herzen lagen. Nach fast jedem Spiel ging Farke zu den Unterstützern. Auch in den ungemütlichen Zeiten.

Und die gab es durchaus. In den vier Jahren unter Farke spielte Norwich City sich zwar zweimal mit ansehnlichem Ballbesitzfußball in die Premier League, nach den jeweiligen Aufstiegen in die höchste Spielklasse ging allerdings wenig zusammen.

Oft wollte seine Mannschaft spielen wie eine von Guardiola, hätte für den Abstiegskampf vielleicht aber eher den Fußball von Tony Pulis gebraucht.

In Gladbach steht ihm nun allerdings eine Mannschaft zur Verfügung, die nicht nur schön spielen will, sondern es auch kann. Denn dass irgendwo unter all dem Gepresse und Umgeschalte der letzten Jahre noch eine Mannschaft schlummert, die den Ball haben will, schien bei den Fohlen immer wieder noch mal durch:

Ob Daniel Farke seinen Guardiola-Fußball nun mit dauerhaftem Erfolg in die Bundesliga zurückbringen kann, bleibt abzuwarten. Aber zumindest als Zuschauer dürfte er Pep Guardiola für die Bundesliga zurückgewinnen.