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·12. Januar 2025
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Arsenal jagt auch in diesem Jahr den Titel in der Premier League, auch in der Königsklasse sind die Gunners im Soll. Doch die Stimmung um den Klub aus dem Norden Londons ist durchwachsen. Welche Probleme hat die Arteta-Elf und was ist in der zweiten Saisonhälfte noch drin?
Platz zwei in der Premier League mit 40 Punkten, Dritter in der XXL-Vorrunde der Champions League, in beiden Cup-Wettbewerben noch im Rennen. Wenn man die Zwischenbilanz von Arsenal in der Saison 2024/2025 betrachtet, scheint bei den Nordlondonern zur Halbzeit alles im Lot zu sein. Und doch herrscht bei Teilen der Anhänger Unmut. Arsenal steckt in einer Phantomkrise.
Um die aktuelle Situation des Traditionsvereins einzuordnen, lohnt sich der Blick in die jüngere Vergangenheit. Zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr hatte Arsenal ebenfalls 40 Punkte auf dem Konto, lief Tabellenführer Liverpool mit fünf Zählern Rückstand hinterher. Leise kamen erste kritische Stimmen auf, auch weil Mikel Arteta seiner Mannschaft gegenüber der spektakulären Spielweise in der Saison 2022/2023 einen etwas pragmatischeren Ansatz verpasst hatte.
Nach einem Trainingslager in Dubai kam die Offensivmaschine jedoch wieder ins Rollen und pflügte geradezu durch die Premier League. Gerade einmal fünf mögliche Zähler ließen Bukayo Saka, Martin Ödegaard und co. ab dem 20. Januar 2024 bis zum Saisonende liegen und hatten Pech, dass es mit Manchester City einen weiteren Juggernaut gab, der über die Gegner nur so hinwegfegte und sich erneut zum Champion krönte.
Hiobsbotschaft: Bukayo Saka fehlt den Gunners noch lange. (Photo by Julian Finney/Getty Images)
Und doch ist die Stimmung derzeit eine andere, in den sozialen Medien scheint eine laute Minderheit der Anhänger gar die Geduld mit Trainer Mikel Arteta zu verlieren. Wieso herrscht in N5 eine andere, weniger optimistische Stimmung als vor einem Jahr?
Wer darauf Antworten sucht, ist gut beraten, sich das 0:2 im Halbfinalhinspiel des Carabao Cups gegen Newcastle anzusehen. Ein Spiel, das die Probleme der Elf von Arteta schonungslos aufzeigte. Die Mannschaft kam gut in die Partie, stand weitgehend stabil und verstand es, Chancen zu kreieren. Diese wurden jedoch nicht verwertet, unter anderem scheiterten Gabriel Martinelli und Kai Havertz aus besten Positionen. Auf der anderen Seite war die Newcastle-Sturmreihe, angeführt vom herausragenden Alexander Isak deutlich effektiver. 3,76 xGoals wussten die Gunners nicht in Zählbares umzumünzen, den Magpies reichten 1,53 xGoals, um sich vor dem Rückspiel in eine ideale Ausgangslage zu manövrieren.
In dieser Saison ist es ein gewohntes Bild, dass Arsenal Spiele dominiert, die Chancen aber nicht nutzt. Die Kontrahenten machen dagegen in nahezu absurder Regelmäßigkeit aus sehr wenig sehr viel. Spielglück ist ein unterschätzter Faktor im Fußball, es zu beeinflussen ist nicht möglich. Derzeit zieht der Titelanwärter aus dem Norden Londons regelmäßig den Kürzeren. Umstrittene rote Karten, zweifelhafte Elfmeterentscheidungen und unerklärlich effektive Gegner sind eine toxische Mischung für die Ziele von Arteta und co. Das Ankämpfen kostet Kraft und lässt die Probleme im Kader umso schwerer ins Gewicht fallen.
Arsenal-Kapitän Martin Ödegaard steckt in einer Formkrise. (Photo by Alex Pantling/Getty Images)
Das Sturm-Thema ist mittlerweile ein Running Gag rund ums Emirates Stadium geworden. Arsenal verfügt weiterhin nicht über einen Torgaranten von Weltklasse-Format. Jesus und Havertz können international absolutes Top-Niveau verkörpern, Tormaschinen werden beide nicht mehr, wenngleich sich die Quote des Deutschen mit 27 Toren für Nation und Klub im Kalenderjahr 2024 durchaus sehen lassen kann.
Dabei ist die Suche nach einem neuen Mittelstürmer gar nicht so einfach. In dem Fußball, den Arteta dem lange strauchelnden Riesen in den vergangenen Jahren einimpfte, ist es mit einem knipsenden Hünen im Sturm nicht getan. Der perfekte Stürmer für das Gunners-System muss die Qualitäten mitbringen, die Havertz gegen den Ball und im Kombinationsspiel verkörpert – und dazu noch auf Spitzenniveau um die Torjägerkrone mitspielen. Viktor Gyökeres, derzeit bei jedem Top-Klub gehandelt und zweifelsohne ein fantastischer Stürmer, erfüllt dieses Profil nicht in Gänze. Dessen Landsmann Alexander Isak dagegen schon, für den Schweden müsste Arsenal jedoch tief in Tasche greifen und über 100 Millionen Euro auf den Tisch legen. Falls Newcastle den ehemaligen Dortmunder überhaupt hergeben möchte, schließlich zählen die Magpies längst selbst zum erweiterten Kreis der Titelanwärter auf der Insel.
Während die Sturmposition schon seit Jahren ein Thema ist, gesellen sich aktuell neue Problemzonen im Kader hinzu. Mit Bukayo Saka fehlt die Gallionsfigur des Teams noch bis März. Der Dauerbrenner ist auf der rechten Seite nicht zu ersetzen, auch wenn das mittlerweile ebenfalls verletzte Top-Talent Ethan Nwaneri dort phasenweise zu gefallen wusste. Zudem fiel mit Martin Ödegaard die zweite unersetzliche Säule über weite Teile der Hinrunde aus. Aktuell steckt der bisweilen geniale Spielmacher in seiner größten Formkrise seit Jahren, saß beim 1:1 gegen Brighton sogar nur auf der Bank.
Die Mischung aus dem großen Rückstand auf Liverpool (sechs Punkte), dem Verletzungspech, den Formschwächen und fehlendem Spielglück lässt das Glas bei Arsenal aktuell halb leer wirken. Dabei ist es in Wahrheit noch randvoll. Von einer echten Krise ist der 13-malige Meister weit entfernt. Die Niederlage gegen Newcastle war die erste Pleite nach 13 ungeschlagenen Spielen, in der Champions League steuert die Mannschaft auf einen Platz unter den Top-8 zu. Was darüber hinaus Hoffnung macht: Arne Slots Reds haben sich beim 2:2 gegen ManUnited und dem 0:1 im League Cup gegen Tottenham seit Langem mal wieder verwundbar gezeigt, haben zudem das schwerere Restprogramm.
Positiv herauszuheben sind derzeit auch die Youngster aus der eigenen Akademie. Nwaneri begeistert mit seiner Unbekümmertheit, seinem Mut in 1-gegen-1-Situationen und Torgefahr. Allerdings wirkt der 17 Jahre junge Hochbegabte bisweilen noch etwas zu verspielt, verursachte gegen Brighton neben tollen Aktionen zu viele Ballverluste.
Myles Lewis-Skelly spielt weniger spektakulär als sein ein Jahr jüngerer Kumpel, tritt dafür deutlich erwachsener auf. Der 18-Jährige besticht durch eine enorme Pressingresistenz und starkes Spielverständnis. Auf der Linksverteidigerposition kämpft er mit Riccardo Calafiori um Einsätze und hinterließ zuletzt einen deutlich frischeren Eindruck als der dauerverletzte italienische Neuzugang. Lewis-Skelly bietet Arteta nun die Gelegenheit, Calafiori erstmal richtig fit werden zu lassen. Im Vollbesitz seiner Kräfte kann der EM-Shootingstar im Saisonfinale noch ganz wichtig werden.
Blutjunge Hoffnungsträger: Myles Lewis-Skelly (18) und Ethan Nwaneri (17). (Photo by Angel Martinez/Getty Images)
Was ist also noch möglich für die Gunners in der Saison 2024/2025? Die Stimmen, dass Arteta langsam Titel braucht, werden lauter. Wobei nicht vergessen werden darf, dass der Spanier 2019 nicht weniger als einen Trümmerhaufen von Verein übernommen und zurück in den Kreis der besten Teams des Kontinentes gehievt hat.
Im Grunde genommen sind weiterhin vier Trophäen möglich. Ein ähnlicher Schlussspurt wie in der Vorsaison scheint angesichts der Situationen um Saka und Ödegaard unwahrscheinlich, die Arteta-Elf wird jedoch weiterhin auf Top-Niveau punkten. Kommt auf dem Winter-Transfermarkt ein Back-Up für Saka, ist der Kader auf einen Schlag deutlich breiter besetzt, da andere „Aushilfen“ auf der rechten Außenbahn wie Leandro Trossard oder Nwaneri so wieder auf ihren Stammpositionen zur Verfügung stehen.
Die Leistungen stimmen grundsätzlich, die individuelle Klasse sowieso. Auch in der Champions League kann man den Tabellendritten der Ligaphase zum erweiterten Favoritenkreis zählen. Dass sie Spitzenmannschaften schlagen können, beweist Arsenal seit drei Jahren in den Duellen mit den übrigen Big 6 der Premier League.
Im Carabao Cup steht nach dem 0:2 gegen Newcastle im Rückspiel eine Mammutaufgabe bevor, aber dann ist da ja auch noch der FA-Cup. Im ältesten Pokalwettbewerb der Welt steigt „The Arsenal“ gleich mit einem prestigeträchtigen Duell ein. Am Sonntag gastiert Manchester United im Emirates (16 Uhr, keine Übertragung in Deutschland). Eine Partie, die den Gunners Schwung geben kann für die richtungsweisenden Monate. Die Londoner laufen gegen die Red Devils als klarer Favorit ins Stadion ein – denn ManUnited hat keine Phantomkrise. Dort brennt der Baum.
(Photo by Julian Finney/Getty Images)