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TSG Hoffenheim

·23. Juni 2022

André Breitenreiter: Meister und Mensch

Artikelbild:André Breitenreiter: Meister und Mensch

Der neue TSG-Cheftrainer André Breitenreiter führte den FC Zürich sensationell zur Schweizer Meisterschaft. Weggefährten beschreiben den heute 48 Jahre alten Aufstiegstrainer von Hannover 96 und des SC Paderborn als ausgesprochen ambitionierten Coach mit einem klaren Plan und starker Kommunikation.

Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, da wussten Heliane und Ancillo Canepa nach eigener Aussage Bescheid: „Wir saßen uns an einem Sonntagnachmittag in unserem Büro gegenüber und spürten vom ersten Moment an: Das passt. Die Chemie stimmt.“ Das Gefühl hat sie nicht getrogen. Im Gegenteil: Der Mann, der dem schillernden Besitzer-Paar des FC Zürich gegenübersaß, wurde binnen eines Jahres zum Meistermacher. Sein Name: André Breitenreiter.


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Es ist ein sportliches Märchen, das der neue Trainer der TSG Hoffenheim in der Schweizer Super League in der abgelaufenen Saison geschrieben hat. Er hat aus einem Abstiegskandidaten ein Spitzenteam geformt. Oder, wie es der Züricher Klub-Präsident Canepa formulierte: „Er ist ein genialer Trainer.“ Der 48-jährige Breitenreiter hat tatsächlich etwas vollbracht, was nicht nur die Schweizer in Erstaunen versetzt hat. Wie es der gebürtige Langenhagener geschafft hat, sein Team zu dieser Leistung zu bringen, hat zuletzt mal ein alter Weggefährte erzählt: „Er bringt eine Mannschaft dazu, an Dinge zu glauben, die eigentlich gar nicht möglich sind“, sagte Stefan Pralle dem Züricher „Tages-Anzeiger“. Pralle, langjähriger Manager und Geschäftsführer des niedersächsischen Klubs TSV Havelse, darf als „Entdecker“ des Trainers Breitenreiter gelten. Er holte den früheren Bundesliga-Profi (143 Spiele, 28 Tore für den HSV, Wolfsburg und Unterhaching) am Ende seiner Laufbahn im Herbst 2009 zum TSV Havelse in die Oberliga Niedersachsen – und der Offensivspieler führte den Klub prompt zur Meisterschaft und in die Regionalliga. Breitenreiter, sagte Pralle, sei „unglaublich ambitioniert in allem, was er tut. Er überträgt das wie ein Virus auf sein Umfeld.“ Als der TSV kurze Zeit später vor dem Abstieg steht, beginnt die zweite Karriere des André Breitereiter. Er wird Trainer. „Ich musste jemanden haben, der ein Wunder zustande bringt, den Klub und seine limitierten Möglichkeiten kennt“, erzählt Pralle. Breitenreiter gelingt das „Wunder“, der TSV bleibt in der Klasse.

Breitenreiter zieht weiter – zum SC Paderborn. Auch dort gelingt ihm schnell das vielleicht Wichtigste, was einen Trainer auszeichnet: Er gewinnt die Mannschaft für sich. Mit den Ostwestfalen schafft er in seiner Premieren-Saison die Sensation – er führt den SC Paderborn erstmals in die Bundesliga, noch dazu mit mutigem Offensivfußball. Auch wenn der SCP im Jahr darauf wieder runter muss, hat sich Breitenreiter längst einen Namen als Coach gemacht.

Der FC Schalke 04 mit Manager Horst Heldt sichert sich im Sommer 2015 die Dienste des begehrten Trainers. Breitenreiter führt die Königsblauen als Fünfter in die UEFA Europa League, doch der Trainer wird Opfer der Unruhe im Umfeld und des neuen Managers Christian Heidel, der lieber auf Markus Weinzierl setzt (und damit scheitert). Mit ihm muss Manager Horst Heldt weichen – viele TSG-Fans werden sich noch an jene ergreifenden Szenen im Mai 2016 erinnern, als sich Heldt und Breitenreiter in der PreZero Arena nach dem 34. Spieltag vor der Schalker Fankurve verabschiedeten. Horst Heldt hat nicht vergessen, was Breitenreiter geleistet hat: „Ich weiß ja, wie gut er arbeiten kann, wie es ihm gelingt, sich in die Köpfe seiner Spieler zu versetzen.“ Das Duo arbeitet später in Hannover zusammen, feiert dort gemeinsam den Aufstieg. Als eineinhalb Jahre später die Ergebnisse ausblieben und die Trennung erfolgt, nahm sich Breitenreiter eine berufliche Auszeit. Der Vater zweier Kinder, seit mehr als 25 Jahren mit Ehefrau Claudia zusammen, kümmerte sich nun primär um familiäre Dinge, musste dabei auch Schicksalsschläge verkraften. Seine Mutter verstarb, und Breitenreiter entschied, „meiner Verantwortung als Sohn gerecht zu werden und meinem Vater in den ersten Monaten jegliche Unterstützung zu geben, die er benötigte. Das hat alles Zeit gebraucht.“

Sein Vater, an Demenz erkrankt, muss in ein Pflegeheim umziehen. Erst als er seinen Vater in guten Händen weiß, ist André Breitenreiter bereit für einen neuen Job. Es ist eine Frage des Respekts. „Ich weiß, welche Werte mir meine Eltern vermittelt haben“, hatte Breitenreiter mal gesagt. Es folgte der Besuch bei den Canepas – und das Titelmärchen mit dem FC Zürich. Die Trainer-Karriere des André Breitenreiter hat einen weiteren Höhepunkt erfahren. Nun wird in Hoffenheim ein neues Kapitel geschrieben.

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