Analyse: Wie die DFB-Frauen vom Underdog zum EM-Favorit aufstiegen | OneFootball

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·24. Juli 2022

Analyse: Wie die DFB-Frauen vom Underdog zum EM-Favorit aufstiegen

Artikelbild:Analyse: Wie die DFB-Frauen vom Underdog zum EM-Favorit aufstiegen

Zu Beginn des Jahres setzten nicht viele Experten auf die deutsche Nationalmannschaft bei der Frauen-EM. Zu viele durchwachsene Leistungen schmälerten den Optimismus vor dem Turnier. Nun gelten die DFB-Frauen vor dem Halbfinale gegen Frankreich nicht mehr als Überraschungsmannschaft, sondern als echte Titelfavoriten. Doch woher kommt dieses Umdenken?

Die Suche nach dem „Teamherz“

Februar 2022. Deutschland spielt zum Auftakt des Arnold Clark Cups gegen Spanien. Nach einer durch die Spanierinnen dominierten Partie gelang es der von Corona geplagten Elf von Martina Voss-Tecklenburg in letzter Minute noch den Ausgleichstreffer zum 1:1 Endstand zu erzielen. „Ihr habt alle ein riesen Herz und wir haben ein riesen Potenzial mit diesem riesen Herz. Ich habe das gestern nicht gesehen“, kommentierte Assistenztrainer Thomas Nörenberg die Leistung vom Vortrag in der Mannschaftsbesprechung, welche in der ARD-Dokumentation „Born For This“ zu sehen ist. Eine Ansprache, welche im Nachhinein viel bei den Spielerinnen im Kader bewegt hat. „Wir müssen das Teamherz irgendwie finden. Ich glaube eigentlich haben wir alles was wir brauchen. Die Frage ist nur: Wie schafft man das?“, kommentierte Laura Freigang im Nachhinein die Ansprache von Nörenberg. In der Nachfolge wurden mehr Mannschaftsabende organisiert, bei welchen es besonders darum ging dieses angesprochene „Teamherz“ wiederzufinden. „Ich denke, dass solche Sachen sehr hilfreich sind. Auch abseits des Platzes um ein Teamgefüge zu schaffen“, erklärte Sara Däbritz die Maßnahme.


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Vom Underdog zum Favorit

„Es ist ein Mentalitätsthema. Das die Mannschaft sich in sich auch so als Team entwickelt, dass sie wirklich überzeugt davon sind, dass wir jedes Spiel gewinnen können. Der richtige Teamprozess wird sich erst entwickeln, wenn der Kader klar ist“, resümiert Tecklenburg nach Abschluss des Lehrgangs in England.

Die Spiele beim Arnold Clark Cup sorgten bei vielen Experten zu der Meinung, dass die deutsche Mannschaft nicht als Favorit ins Rennen um den EM-Titel gegangen ist. Nun steht die Mannschaft von Kapitänin Alexandra Popp im Halbfinale gegen Mitfavorit Frankreich. Und plötzlich: Die DFB-Frauen gelten nun doch als Favorit auf den Einzug ins Finale. Aber wieso?Für die ehemalige Nationalspielerin und Expertin Nadine Keßler ist der Grund die Auftritte bei der Europameisterschaft. „Ich glaube, wer die deutsche Mannschaft gesehen hat, der muss ganz ehrlich sagen, dass sie Topfavorit sind“, sagte sie im Interview mit dem ZDF. Einen anderen Grund sieht der Leiter der Nationalteams, Joti Chatzialexiou: „Ich habe keine Sorge, weil ich die Energie in unserer Mannschaft spüre“. Damit bestätigt er, dass die Mannschaft zu dem gefunden hat was ihr zu Beginn des Jahres gefehlt hat: Das „Teamherz“.

DFB-Frauen entdeckten neuen Mannschaftsgeist

Doch wie hat es die Mannschaft geschafft dieses „Teamherz“ zu finden? Die Antwort auf diese Frage dürfte sowohl simpel, als auch komplex sein. Trotz der Tatsache, dass das Team beim Arnold Clark Cup durch Corona geschwächt aufgetreten ist dürfte genau dieses Blitzturnier die Initialzündung gegeben haben. Durch die Ansprache von Nörenberg wurde die Mannschaft wachgerüttelt weil sie angefangen hat über ihr Spiel nachzudenken. Durch die Interviews für die Doku „Born For This“ im Nachgang wurde dies deutlich. Ein schwieriges Unterfangen, doch es ist scheinbar geglückt. Des Weiteren können Rückschläge auch Fortschritt bedeuten. Durch die angesprochenen durchwachsenen Leistungen beim Blitzturnier und bei den Spielen für die WM-Qualifikation hatten, könnten viele die deutsche Mannschaft unterschätzt haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt dürfte sein, dass im Trainingslager besonders an der Entstehung des Mannschaftsgefüges gearbeitet wurde. Laut den Aussagen von Lina Magull und Lena Lattwein habe sich das Team im Trainingslager darauf konzentriert die Spielphilosophien aus den Vereinen „ein bisschen zu vergessen“ und stattdessen das eigene Spiel beim DFB in den Fokus zu rücken. Des Weiteren konnten sich die Spielerinnen in diesen Tagen darauf konzentrieren sich einzuspielen. In den Länderspielperioden zuvor war dies aufgrund von Verletzungen nicht möglich, nun haben sie es geschafft.

Der Fußball schreibt die besten Geschichten

Nicht außer Acht zu lassen sind auch die Geschichten, welche sich im Vorfeld oder während eines solch großen Turniers entwickeln. Zum einen wäre da Alexandra Popp, welche nun mit 31 Jahren ihre erste Europameisterschaft spielt und bislang in jedem Spiel getroffen hat. Zum anderen wären da die Ausfälle von wichtigen Stammspielerinnen während des Europameisterschaft. Lea Schüller fiel beispielsweise aufgrund einer Corona-Erkrankung für das zweite und dritte Gruppenspiel aus. Trotzdem zierte ein Trikot der Nummer sieben die Bank und wurde anschließend von Popp bei den Interviews nach dem Spiel getragen. Gleiches tat Lena Oberdorf mit dem Trikot von Ersatztorhüterin Almuth Schult, welche für das Viertelfinale ausfiel. Solche Gesten zeigen nicht nur den neugefundenen Mannschaftsgeist, sondern motivieren zusätzlich und bestärken das „Einer für alle, alle für einen“-Gefühl eines Team. Solche Geschichten entfachen schnell eine bestimmte Dynamik innerhalb eines Teams, welche positive Resultate auf den Platz bringen kann.

Die Initialzündung für den bisherigen Erfolg der DFB-Frauen bei dem Turnier in England kam bei der Ansprache nach dem Spanien-Spiel zum Jahresbeginn. In dessen Folgen veränderte sich etwas bei der Mannschaft von Martina Voss-Tecklenburg. „Kriegen wir das hin (mit Herz zu spielen Anh. d. Red.) hat jede Mannschaft gegen uns ein Problem“, sagte Nörenberg bei seiner Rede zu den Spielerinnen. Der bisherige Turnierverlauf zeigt: er sollte Recht behalten.

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