Alex Král: Taktvoll | OneFootball

Alex Král: Taktvoll | OneFootball

Icon: FC Schalke 04

FC Schalke 04

·27. März 2023

Alex Král: Taktvoll

Artikelbild:Alex Král: Taktvoll

Wo die Reise hinführen sollte, stand für Alex Král früh fest. Das Leben des 24-Jährigen ist stets auf den Fußball ausgerichtet gewesen – ohne dabei andere wesentliche Dinge zu vernachlässigen. Im Interview mit dem Schalker Kreisel spricht der tschechische Mittelfeldspieler über Trainingstaktung, Talent an der Kamera und Taktik für den Klassenerhalt.

Alex, die Hälfte der Rückrunde ist um, Schalke in sämtlichen Duellen ohne Niederlage geblieben. Wie fällt dein Fazit bis hierhin aus? Es fühlt sich an, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Vor der Winterpause war der Abstand groß, nun konnten wir uns mit der Serie herankämpfen. Wir hatten in den ersten Monaten auch ein wenig Pech mit vielen Verletzungen, zeitweise war Maya Yoshida unser einziger fitter Innenverteidiger.


OneFootball Videos


Hattest du in der Hinserie Zweifel, dass Schalke den Anschluss schaffen könnte? Manchmal denkt man über den Verlauf nach, auch weil ich selbst nicht viel gespielt habe und auf der Bank saß. Ich kannte die Situation aus meiner Zeit in England, als ich bei West Ham ebenfalls häufig außen vor war. Mir war aber auch bewusst, dass hier ein komplett neues Team zusammengestellt wurde, das sich erst finden musste – deshalb war ich mir sicher, mit der Zeit würde es besser laufen.

Wie groß ist der Anteil von Chef-Trainer Thomas Reis an der Serie? Sehr groß, der Coach hat ein System gefunden, das perfekt zu uns passt. Er weiß genau, was jeder einzelne Spieler leisten kann und wo seine jeweiligen Stärken liegen. Die Spielweise unter ihm ist sehr physisch, doch das passt wunderbar zu uns und kann zu einem wesentlichen Faktor werden. Der Trainer verdeutlicht uns genau, was er sehen will, da gibt es keine Ausreden.

Hilft die aktuelle Phase auch auf mentaler Ebene im Abstiegskampf? Durchaus, aber wir sind uns auch bewusst, dass wir noch nichts erreicht haben. Es sind noch neun Spiele zu gehen, mehrere Mannschaften liegen eng beieinander – und ich denke, dass das bis zum Schluss so bleiben wird. Wir müssen in jeder Partie absolut fokussiert sein. Mit acht Spielen ohne Niederlage kann man aber zumindest selbstbewusst in die Aufgaben gehen.

Gewähre uns einen Einblick, wie du zum Fußballer geworden bist. Aufgewachsen bist du in Tschechien, geboren allerdings in der Slowakei … Genau, in Kosice bin ich zur Welt gekommen, weil meine Mutter Slowakin ist. Die ersten beiden Jahre haben wir in einem kleinen Dörfchen namens L’ubel’a gelebt, dort sind meine Großeltern mütterlicherseits beheimatet. Erst danach sind wir ins tschechische Brünn gezogen, wo ich den Großteil meiner Kindheit verbracht habe.

Und die war erschreckend normal? Ich hatte vielleicht keine typische Kindheit, aber eine sehr schöne. Ich erinnere mich gerne an die Zeiten, als noch nicht jeder mit einem Smartphone herumgelaufen ist und auf Social Media unterwegs war. Stattdessen war ich als Kind viel draußen unterwegs, das kleine Dorf meiner Großeltern war schön. Der Fußball kam mit dem Schuleintritt, war aber damals noch auf absolut niedrigem Level und einfach ein netter Zeitvertreib als Kind. Erst mit neun Jahren hat sich mein Leben geändert, und der Fußball ist zum Mittelpunkt geworden.

Inwiefern? Mein Vater war schon immer absolut fußballbegeistert, er hat mich vom ersten Tag an sehr gefördert. Neben dem Training habe ich mit acht, neun Jahren bereits begonnen, Extraeinheiten zu absolvieren und mit Physiotherapeuten zu arbeiten. Den Gegenpart hat meine Mutter gebildet, die selbst sportbegeisterte Krankenschwester ist, aber bei mir auch immer viel Wert auf die Schule gelegt hat. Daheim hatten Hausaufgaben und Schlafen oberste Priorität, den Rest des Tages habe ich dann im Unterricht oder auf dem Fußballplatz verbracht. Ich hatte keine Zeit für das typische Teenager-Leben mit all seinen schönen Dingen wie auch den Schattenseiten.

Der Verzicht hat dir nichts ausgemacht? Meine Mitschüler konnten nachts länger wach bleiben oder feiern gehen, das blieb mir verwehrt. Dafür habe ich nun den Beruf, den ich mir immer gewünscht hatte – heutzutage und auch nach der Karriere kann ich all die Dinge genau so tun. Mit diesem Wissen hat es mir an nichts gefehlt. Wobei es schon komisch war: Silvester habe ich beispielsweise jedes Jahr um 22 Uhr geschlafen, weil an Neujahr eine Extraschicht eingeplant war, um perfekt in die Vorbereitung gehen zu können. (lacht) Das neue Jahr habe ich regelmäßig verschlafen.

Und die Schule musste auch nicht leiden … Hin und wieder war es herausfordernd. Ich war auf drei unterschiedlichen Grundschulen und hatte zeitweise noch zusätzlichen Englischunterricht, für den ich nach Schulschluss einmal quer durch die Stadt gefahren bin – nur um anschließend zur Schule zurückzufahren, wo das Fußballtraining auf mich wartete. Mein Vater und ich haben in der Zeit ordentlich Kilometer abgerissen, aber mit der richtigen Organisation war das absolut machbar. Ich hatte nie das Gefühl, müde zu sein oder den Spaß am Spiel zu verlieren.

Und wenn es mit der Profikarriere nicht geklappt hätte … …, wäre ich dank meiner Mutter richtig vorbereitet gewesen. Sie hatte immer einen Plan für mich, deshalb bin ich nach der Grundschule aufs Gymnasium gegangen, um mir die Option offenzuhalten, ein Studium absolvieren zu können. Zwar waren dafür ein individueller Stundenplan und abgestimmtes Training nötig, doch meine Mama hatte immer die Möglichkeit im Hinterkopf, dass ich mich verletzen oder das Interesse am Fußball verlieren könnte. Was genau ich stattdessen nun beruflich machen würde, kann ich nicht sagen. Einerseits wäre ein Studium im Sport sicher interessant gewesen, andererseits beschäftige ich mich gerne mit der Kamera. Ich filme und schneide, vielleicht wäre ich ein guter Kameramann geworden. (lacht) Im Urlaub halte ich damit gemeinsame Momente fest, die ich mir in 20 Jahren noch einmal ansehen kann.

Wann konntest du absehen, dass der Schritt in den Profifußball gelingen kann? Darauf hingearbeitet hatte ich durch besagte Extraschichten, Physiotherapie, Fitness- und Athletiktraining bereits in frühen Jugendjahren. Als ich mit 16 dann meinen ersten Vertrag bei Slavia Prag unterschreiben durfte, begann für mich der Schritt in den Seniorenfußball. Mit 18 bin ich zum Zweitligisten FK Teplice, habe den Durchbruch geschafft – und bin nach Prag zurückgekehrt.

Dort hast du ganz besondere Monate erlebt … Ein außergewöhnliches Halbjahr! Kurz nach Jahresbeginn bin ich zurückgekehrt und habe mit Slavia die Meisterschaft und den Pokal gewonnen. In der Europa League haben wir den FC Sevilla besiegt und sind anschließend erst gegen den FC Chelsea ausgeschieden. Es war die erfolgreichste Saison der jüngsten 25 Jahre für Prag. Und auch für mich persönlich war es bedeutsam, denn neben den tollen Erfahrungen im Club wurde ich auch für die tschechische Nationalmannschaft berufen und durfte mein Debüt feiern.

Wieso sollte deine Zeit dennoch nach nur sieben Monaten wieder enden? Für mich hat sich die Möglichkeit ergeben, nach Russland zu wechseln – die Liga zählte damals zu den stärksten in Europa; dazu noch zu Spartak Moskau, dem größten russischen Club. Für mich war das ein großer Schritt raus aus der Heimat, den ich aber ohnehin irgendwann gehen wollte – und der Fünfjahresvertrag war die perfekte Chance für mich. Ich war mir im Vorfeld auch nicht ganz sicher, denn viele Menschen hatten damals schon berechtigte Vorbehalte gegenüber Russland und dem Lifestyle dort. Es gibt allerdings einen großen Unterschied zwischen dem Leben in Russland und in speziell Moskau. Genauso kann man den normalen Alltag dort nicht mit dem eines Sportlers vergleichen, man hat unfassbar viele Möglichkeiten. Aber klar, ein Großteil der Bevölkerung bestreitet dort ein schwieriges Leben.

Zwei Jahre bist du für Moskau aufgelaufen. Eine erfolgreiche Zeit? Definitiv, der Schritt, den ich damit gehen wollte, ist mir gelungen. Ich hatte eine erfolgreiche Zeit als Fußballer, habe viel gespielt und hatte mit Domenico Tedesco einen tollen Coach. Und auch das Leben abseits des Platzes hat mir gefallen. Trotzdem stand ich einer Veränderung offen gegenüber und habe mich deshalb 2021 nach England verleihen lassen.

Wie lief es für dich in der Premier League mit West Ham United? Es war ein schwieriges Jahr. Der Start verlief gut, ich durfte über 90 Minuten bei Manchester United im Old Trafford ran, wir konnten das Pokalspiel auch gewinnen: genau der Start, den ich gebraucht hatte. Nach dem ersten Monat haben sich aber einige Dinge verändert, und ich habe realisiert, dass der Trainer nicht auf meine Spielweise setzt. Trotzdem bin ich professionell geblieben und habe hart gearbeitet, mich in jedem Training auf mich fokussiert. Die Einheiten habe ich wie Spiele betrachtet. Diese Mentalität hat mir geholfen, nun die Leistung hier auf Schalke abrufen zu können, an der ich das Jahr über dort gearbeitet habe.

Mitten in dein Kapitel auf der Insel fiel der russische Angriff auf die Ukraine. Wie hast du, originär in Moskau unter Vertrag stehend, die Situation wahrgenommen? Grundsätzlich ist Krieg eine schreckliche Sache. Auch wenn wir über eine ganz andere Tragweite reden, war es beruflich keine leichte Situation. Ich hatte noch drei Monate bei West Ham und war mir bewusst, dort nicht zu bleiben. Glücklicherweise kam schnell die Ausnahmeregelung der FIFA, die in Russland geltenden Verträge auszusetzen, durch die man anderweitig in Europa spielen darf. Es bleibt abzuwarten, ob diese Regelung auch für die kommende Saison verlängert wird, momentan ist alles offen, denn noch gilt mein Vertrag bei Spartak bis 2024.

Wie bist du auf Schalke gelandet? Das ging recht schnell. Der Verein hat früh Kontakt zu meinem Berater aufgenommen, wir hatten mehrere Gespräche, auch während meines Aufenthalts bei der Nationalmannschaft. Deshalb war die Zeit der Unsicherheit recht kurz, weil mir schnell klar war, dass ich beim S04 spielen will.

Hattest du Königsblau zuvor wahrgenommen? Natürlich, der Club ist in allen Ländern für seine Größe und erfolgreiche Historie bekannt. Hier haben viele tolle Fußballer gespielt, zu denen man auch als Kind aufgeschaut hat.

Hat Domenico Tedesco dir bei Spartak von Schalke erzählt? Ich habe ihn einige Dinge zum Verein gefragt und stehe auch heute noch in regelmäßigem Kontakt mit ihm. Er ist eine Persönlichkeit, auf deren Meinung ich sehr großen Wert lege, ich höre immer gerne zu, weil er viel Ahnung hat.

Und wie waren deine ersten Eindrücke von Königsblau? Ich war beeindruckt, weil hier vieles anders ist als bei meinen vorherigen Vereinen. Bei West Ham liegen Trainingsgelände und Stadion an unterschiedlichen Orten, hier ist alles zentriert. Plätze, Rehazentrum und die Arena, die noch immer aussieht, als sei sie gerade erst eröffnet worden, total verrückt. Im Stadion bekommt man als Spieler ein unglaubliches Gefühl, und die Fans habe ich im Trainingslager bereits als ganz speziell im positiven Sinn kennenlernen dürfen. Wenn ich nur an unser Pokalduell in der ersten Runde denke: wie ein Heimspiel in der Fremde. Ich habe für die größten Clubs in Tschechien und Russland gespielt, das hier ist aber etwas Besonderes.

Besonders ist sicher auch die Unterstützung deiner Frau … Marketa und ich sind seit der Schulzeit zusammen, im Mai haben wir unseren ersten Hochzeits-Jahrestag. Sie folgt mir überall hin, egal ob nach Prag, Moskau, London oder Gelsenkirchen. Und sie ist ein wichtiger Faktor für meine Karriere, denn sie hat sich viele Dinge von meinen Physiotherapeuten abgeschaut und kann mich daheim behandeln. Außerdem ist sie eine tolle Köchin, ich esse kaum etwas, das nicht von ihr ist. (lacht) Ihr Support ist mir sehr wichtig, ich weiß, dass ich zu Hause vom Stress im Training und den Spielen abschalten kann.

Das Thema Fußball ist also tabu? Das vielleicht nicht, aber wir sprechen nicht über den Fußball als solches, sondern eher über die Emotionen, die man durch ihn mit nach Hause bringt. In den eigenen vier Wänden sind wir ein normales Ehepaar, das gerne Serien schaut, mal zusammen Playstation spielt und entspannt. Außerdem gehen wir hin und wieder in die Stadt zum Shoppen oder Kaffeetrinken – natürlich immer mit dem Gedanken im Hintergrund, vernünftig zu regenerieren. Aber da habe ich mit ihr ja eine Expertin an meiner Seite. (lacht)

Enrico Niemeyer

… könnte mittlerweile an Silvester auch um 22 Uhr die Segel streichen.

Impressum des Publishers ansehen