FC Schalke 04
·4. August 2023
50 Jahre Parkstadion: Festtagsstimmung

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·4. August 2023
„Wenn Sie nicht alles sofort gefunden haben, seien Sie dem FC Schalke 04 nicht böse“, charmebolzt Stadionsprecher Werner Hansch mit sonorer Stimme ins Mikrofon. Doch sie haben alles gefunden – zumindest den Weg. Rund 60.000 Menschen strömen am 4. August 1973 zur Premiere in beeindruckender Kulisse. Die vier imposanten Flutlichtmasten rücken das Eröffnungsspiel wahrlich ins rechte Licht. Feyenoord Rotterdam ist zu Gast im Intertoto-Cup. Aber Fußball ist an diesem Samstagabend Nebensache, der eigentliche Star: das Parkstadion.
Bevor die Partie beginnen kann, gilt es ein paar kleine Pannen auszumerzen. Zunächst streikt die Technik: Der Computer, den die Schalker als erster Bundesligist fest installiert haben, stottert. Schon zur Halbzeit soll er Besucherzahlen und Einnahmen ausspucken, doch bei 500.000 D-Mark streikt er. Statt sich zu ärgern, frohlockt Präsident Günter Siebert indes: „Dem hat‘s die Sprache verschlagen.“ Derweil erleidet der Verkehr rund ums Parkstadion einen Infarkt, und an den Kassenhäuschen tobt das Chaos. Als Siebert das erblickt, fackelt er nicht lange. Er trommelt Schatzmeister Heinz Aldenhoven und die beiden Vorstandsmitglieder Willi Rohmann und Hans Lehmann zusammen, die sich kurzerhand die Kartenrollen schnappen und als fliegende Händler fungieren.
Währenddessen hält das Who’s who aus Fußball und Politik um DFB-Präsident Dr. Hermann Gösmann und Oberbürgermeister Josef Löbbert Einzug auf die bevorzugten Plätze – die teppichausgelegte Ehrentribüne ist durch einen separaten Eingang mit eigenem Fahrstuhl erreichbar, denn die VIP-Gäste sollen laut DFB-Forderung keinen Kontakt zum „gemeinen“ Publikum haben. Ein Schelm, der Böses denkt. Gösmann und sein Vize Hermann Neuberger ernten ein giftiges Willkommen: Das Schalker Publikum pfeift die Großkopferten gnadenlos aus für die saftigen Strafen, mit denen der DFB die Spieler im Bundesliga-Skandal geahndet hat.
Über den wohl aufregendsten Transportweg verfügen allerdings die sportlichsten Teilnehmer: die viel zitierte Rolltreppe. Modern, moderner, Parkstadion – aber es ist neben den weiteren WM-Standorten in Berlin, Hamburg, Hannover, Dortmund, Stuttgart, Düsseldorf und Frankfurt auch der einzige Neubau speziell für die Weltmeisterschaft 1974. Gebaut auf 750.000 Quadratmetern Brachland eines ehemaligen Militärflughafens, ist die größte Arena des Ruhrgebiets umgeben von vierspurigen Straßen, Zugangswegen, Fußgängerbrücken, 15.000 Parkplätzen und 155.000 Quadratmetern Grünfläche – der Name ist also Programm.
In all dem Trubel geht fast unter, dass auch noch das letzte Gruppenspiel des Intertoto-Cup gespielt werden muss, und das gegen clevere Niederländer, wie sich herausstellt. Begeistert begrüßen die Schalker zuvor noch ihren Rückkehrer Jürgen Sobieray, der seine 14 Monate währende DFB-Sperre abgebrummt hat. Die 90 Minuten sind allerdings schnell erzählt. Wer eine Offensivschlacht erwartet, wird an diesem Abend enttäuscht. Im Gegenteil, die Partie plätschert müde dahin, was auch an Feyenoord liegt, das nicht daran denkt, Vollgas zu geben, denn auch mit angezogener Handbremse reicht es gegen die Königsblauen. Doch auf der einen Seite spielt der Weltpokalsieger von 1970 und auf der anderen eine junge Truppe, deren Durchschnittsalter bei 21 Jahren liegt und die den Königsblauen in den kommenden Jahren noch viel Freude bereiten wird.
Rotterdams Trainer Wiel Coerver scheint der 2:1-Sieg an diesem besonderen Tag fast ein wenig unangenehm, was in seinem Fazit deutlich mitschwingt: „Schalke war besser, doch wir hatten mehr Glück. Schade für die Zuschauer, die sich doch in diesem Spiel einen Sieg gewünscht hatten.“ S04-Chef-Trainer Ivica Horvat sieht es pragmatisch und hat ein Sonderlob in petto: „Diese internationalen Spiele waren die beste Vorbereitung für die Saison. Die Ergebnisse spielen dabei keine Rolle. Imponiert hat mir Jürgen Sobieray. Wie er nach 14-monatiger Pause aufgespielt und sich eingefügt hat, das war Superklasse.“ So scheint sich an diesem Tag doch noch alles gefunden zu haben – irgendwie. Werner Hanschs Sorge war unbegründet, keiner war böse.
4.8.1973 I FC Schalke 04 – Feyenoord Rotterdam 1:2 (0:1) I Parkstadion Schalke: Pabst – Klein, Huhse, H. Kremers, Sobieray, Beverungen, Budde, Abramczik (64. Ehmke), Scheer (65. Thiele), Holz, E. Kremers I Rotterdam: Treytel – Rysbergen (37. Van Daele), Schneider, Wery, Vos, Jansen, Boskamp, Ressel, Schoenmaker, van Hanegen, Kristensen I Tore: 0:1 Ressel (10.), 1:1 H. Kremers (83./Foulelfmeter), 1:2 Ressel (87.) I Zuschauer: 60.000 I Schiedsrichter: Hennig (Duisburg)