fussball.news
·6. April 2023
4 Gründe, warum die Bayern-Misere an Salihamidzic festzumachen ist

In partnership with
Yahoo sportsfussball.news
·6. April 2023
Die Vita von Hasan Salihamidzic verdient größte Anerkennung: Als Jugendlicher flüchtete er vor dem Krieg in Ex-Jugoslawien und kam nach Deutschland. Der bekennende Muslim hatte zu Beginn nichts, stieg aber mit Fleiß und Disziplin zu einem der besten, erfolgreichsten und beliebtesten Fußballprofis in Europa auf (u.a. Hamburger SV, FC Bayern, Juventus Turin, VfL Wolfsburg).
Nach seinem Karriereende 2012 wurde "Brazzo" Unternehmer und probierte sich als Journalist aus. Dann folgte 2017/18 das Angebot, Manager des FC Bayern zu werden. Salihamidzic nahm die Offerte an. Doch seit der 46-Jährige Manager des deutschen Rekordmeisters ist, gibt es auch viele hausgemachte Probleme. Zeitweise konnte Salihamidzic die Probleme kleinhalten, doch nun droht den Münchnern nach über zehn Jahren erstmals wieder eine titellose Saison. Zudem hat der Klub sein Image als "FC Hollywood" wieder aufgefrischt. Salihamidzic hat großen Anteil an dieser Misere. fussball.news nennt vier wesentliche Gründe.
Aus im DFB-Pokalviertelfinale, überraschender Trainerwechsel, schwankende Leistungen der Mannschaft, zeitweise nicht Tabellenführer der Bundesliga und viele außersportliche Krisenherde: So in etwa kann man wohl die aktuelle Bayern-Misere umschreiben. Sicherlich hat auch Klubboss Oliver Kahn seine strukturellen Schwächen (Analyse), doch in erster Linie rückt nun Sportvorstand Hasan Salihamidzic in den Fokus.
Dabei ist vorweg festzuhalten: Salihamidzic hatte es von Beginn an nicht leicht als Manager des FC Bayern. Schon zu Amtsbeginn 2017 wurde er nicht nur von vielen Fans, sondern sogar von angesehenen Fußballjournalisten veräppelt und despektierlich behandelt. Der Sportchef einer regionalen Zeitung machte auf Social Media regelmäßig Witze über Salihamidzic. Der Reporter eines Fußballfachmagazins veröffentlichte sogar einen Artikel über Salihamidzic, der ihn sinngemäß als faulen und inkompetenten Manager darstellte – und das nach wenigen Wochen im Amt. fussball.news bat damals in einem Artikel, Salihamidzic doch zumindest 100 Tage im Amt Zeit zu geben, bevor man ein fundiertes Urteil über ihn trifft.
Denn formal hatte Salihamidzic auf jeden Fall auch interessante Ansätze geliefert. Zeitweise (2016) stellte der FC Bayern keinen einzigen Profi mehr bei einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft (inklusive Verletzungen). Auf Nachfrage von fussball.news sagte der Bosnier damals, dass es natürlich wieder das Ziel des FC Bayern sei, einen Block an deutschen Nationalspielern zu stellen. Nach rund drei Jahren im Amt hatte Salihamidzic tatsächlich Wort gehalten, die Hälfte der Startelf des DFB-Teams bestand wieder aus (überwiegend zusammengekauften) Bayernspielern.
Mit der Zeit wurde das öffentliche Klima gegenüber Salihamidzic freundlicher, auch weil der Verein betonte, Salihamidzic habe einen erheblichen Anteil am Erfolg des sensationellen Triple-Gewinns 2020. Viele Fans und Berichterstatter wiederum waren von der Transferpolitik von Salihamidzic im Sommer 2022 begeistert und vergaben (voreilig) die Schulnote 1 für den Bayern-Manager. Salihamidzic hat also auch Highlights geliefert, doch in seiner Ära überwiegen die Fehler.
fussball.news hat bei Salihamidzic im vergangenen Sommer Zwischenbilanz gezogen (Bericht), das Ergebnis war ernüchternd: Nur sieben von 22 neu geholten Spielern in der Ära Salihamidzic erfülllten oder übertrafen die Erwartungen beim FC Bayern. Und auch danach war die Transferpolitik von Salihamidzic alles andere als auf Topniveau. Salihamidzic korrigierte vor der Saison 2022/23 zwar einige Fehler durch den Verkauf zahlreicher Ersatzspieler, aber erneut traf er auch einige falsche Entscheidungen. Er entschloss sich zum Verkauf von Topstar Robert Lewandowski und holte keinen direkten Ersatz für den Mittelstürmer. Sein Toptransfer Sadio Mane zündete dagegen mal wieder nicht auf Anhieb (wie zuvor Coutinho und Sane). Darüber hinaus lässt sich das Missmanagement von Salihamidzic noch in drei weitere Kategorien unterteilen:
- Niko Kovac galt nur als „Notlösung“ und war ab der Saison 2018/19 mit der Aufgabe beim FC Bayern überfordert. Nach etwas mehr als einem Jahr musste der Kroate München verlassen, da der FC Bayern auf Platz vier, punktgleich mit dem Tabellenfünften, abgerutscht war.
- Hansi Flick als Cheftrainer war im Anschluss eine glückliche Fügung für den FC Bayern, doch Salihamidzic und Flick verstanden sich nicht. Es gab regelmäßig Streit über die Kaderplanung. 2021 flüchtete Flick zum DFB.
- Flick-Ersatz Julian Nagelsmann erhielt 2021 einen ungewöhnlichen und teuren „Rentenvertrag“ beim FC Bayern bis 2026. Dazu zahlte der Klub eine Ablöse von rund 20 Millionen Euro. Nach nicht einmal zwei Jahren wurde das Projekt Nagelsmann nun beendet. Kernbegründung: sportlicher Misserfolg gepaart mit Unerfahrenheit.
Salihamidzic hat für die Kaderplanung den ehemaligen Drittligaprofi Marco Neppe an seiner Seite. Doch von Planung und Expertise ist kaum etwas zu erkennen, auch wenn Salihamidzic regelmäßig betont, der FC Bayern besitze einen der besten Kader in Europa. Die Münchner haben zum Beispiel nach dem Abgang von Topstar Robert Lewandowski keinen Mittelstürmer von internationalem Format geholt. Der beförderte Ersatzstürmer Choupo-Moting kann mit seinen vier Toren in acht Rückrundenspielen der Bundesliga diese Rolle nicht ausfüllen. Auch haben die Münchner zu viele Flügelstürmer mit ähnlichem Profil, dafür keinen aggressiven Sechser, der für alle in der Defensive Verantwortung übernimmt, wenn es mal druckvoll wird. Auch liegt man im Erstellen von Spielerprofilen öfter daneben, ein absoluter Flop war zum Beispiel die mit Ärger verbundene Verpflichtung von Mikael Cuisance (acht Millionen Euro 2019). Auch ist Leroy Sane kein Führungsspieler und kein Profi, der regelmäßig in Topspielen sein Potenzial abruft - mit diesem Profil wurde er aber geholt, obwohl er bei Schalke und Manchester City meist nur in den Kategorien Talent und Ergänzungsspieler einzustufen war.
Dass an den Prototyp eines FC-Bayern-Managers – nämlich den einst rund 30 Jahre amtierenden Uli Hoeneß – keine andere Persönlichkeit heranreichen kann, versteht sich. Auch, dass manche Hoeneß-Skills (brüllen, roter Kopf) heute nicht mehr zeitgemäß sind, ist selbstredend. Dennoch geht es um das mit wichtigste Amt im deutschen Profifußball. Diejenige Person, die das Amt als Bayern-Manager ausübt, braucht eine natürliche Autorität. Auch rhetorische Stärke und das richtige Gespür, wann man welches Thema in der Öffentlichkeit setzt, wann man Druck auf eigene Mitarbeiter aufbaut und wann man sie öffentlich verteidigt, sind von Bedeutung. Zudem sind Verbindlichkeit und ein gewisses Maß an Transparenz erforderlich. Von diesem Gesamtpaket ist Salihamidzic weit entfernt, auch wenn es für manche Schwäche Erklärungen gibt.
Trotz einer schwachen Bilanz: Warum konnte sich Salihamidzic bislang im Amt halten und sogar einen Vertrag bis 2025 herausholen?
Eine Stärke von Salihamidzic ist es, im persönlichen Gespräch Menschen für sich zu begeistern. Zudem profitiert er von seiner Vergangenheit als erfolgreicher Bayernspieler und der Fürsprache von Uli Hoeneß. Kurzzeitige Überraschungsmomente wie der glückliche Triple-Gewinn 2020 in der Coronazeit oder eine zumindest passable Transferperiode 2022 haben ihm zusätzlich Luft verschafft. Denn angeblich soll von einflussreichen Bayern-Sponsoren im kleinen Kreis auch schon mal der Wunsch geäußert worden sein, Salihamidzic eine erfahrene Manager-Persönlichkeit an die Seite zu stellen. Das war aber vor dem vermeintlichen Toptransfersommer 2022.
Nun aber dürfte die Debatte um Salihamidzic neu beginnen. Denn am Ende ist es der Manager, der für die Auswahl der Trainer und Spieler zuständig ist. Und wenn die nicht wie gewünscht performen und schon mehrfach ausgetauscht wurden, dann geht es, wenn man nicht gerade Uli Hoeneß heißt, dem Manager an den Kragen.
Live