100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln | OneFootball

100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln | OneFootball

In partnership with

Yahoo sports
Icon: effzeh.com

effzeh.com

·5. Dezember 2019

100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Es war Anfang der 70er Jahre, als ich mich als sehr junger Fußballverrückter erstmals mit dem damaligen Mönchengladbacher Trainer Hennes Weisweiler befasste. Normalerweise passierte es damals selten, dass ich mich mit dem Gegner auseinandersetzte, schon gar nicht mit dem gegnerischen Trainer. Doch dieser Mensch war eben anders, er sprach eindeutig mit kölschem Idiom, hatte aber selten bis nie ein gutes Wort für meinen Verein, eben den 1. FC Köln, übrig. In den Interviews war immer eine Gehässigkeit herauszuhören. Mit etwa acht Jahren empörte mich diese Einstellung dieses bärbeißig-schroff wirkenden Übungsleiters doch sehr.

Erst im Nachhinein verstand ich, warum Hennes sich so äußerte. Der Mann hatte bereits zu diesem Zeitpunkt so viel FC-Vergangenheit mit all seinen positiven wie negativen Erlebnissen hinter sich, wie man sich das kaum vorstellen konnte. Schließlich war Hans, genannt „Hennes“, Weisweiler schon als Spieler beim KBC tätig, einem der späteren Fusionsvereine des 1. FC Köln. Von 1935 bis 1937 in der Jugend sowie von 1937 bis 1942 und 1946 bis 1948 in der 1. Mannschaft. Nach der Fusion gehörte er zur effzeh-Premierenelf, dessen Spielertrainer er ab September 1948 sodann wurde.


OneFootball Videos


FC-Mitbegründer und Namenspate des Geißbocks

Gemeinsam mit unter anderem Hans Schäfer schaffte er in den Relegationsspielen gegen Bayer Leverkusen 1949 den Aufstieg in die Oberliga West, welche damals die höchste deutsche Spielklasse abbildete. Bis zum Ende der Saison 1952 blieb Hennes Trainer des FC und wurde mit dem Club als Aufsteiger Fünfter (49/50), dann Vierter (50/51) und noch einmal Fünfter (51/52). Zwischendurch wurde er sogar Namenspate des neuen Maskottchens des Vereins, einem stolzen Geißbock, der nun ebenfalls Hennes heißen durfte. Seitdem tragen alle Böcke den Namen des Mannes, der den größten Konkurrenten seines Stammvereins erst als erfolgreichen Verein möglich machte.

Der menschliche Original-Hennes kehrte nach einer Phase beim Rheydter SV erstmalig zu „seinem“ FC zurück und weitere drei Spielzeiten folgten: In denen führte er den FC auf Platz sieben (55/56), Platz drei (56/57) und Platz zwei (57/58). Aber da man 1958 das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft verpasste, gab es „Zoff“ mit Franz Kremer, dessen erklärtes Ziel nun mal dieser Titel war. Resultat daraus: Weisweiler verließ den Verein.

Weisweiler baut den „Gegen-FC“

Nach einer sechsjährigen Phase bei Viktoria Köln landete Weisweiler bei Borussia Mönchengladbach und von da an wurde aus dem kölschen Hennes der Erfolgstrainer vom Niederrhein.  Mit der Truppe, die er dort vorfand, konnte Weisweiler seine Vorstellungen vom Fußball umsetzen. Die großen Talente, die der Borussia seinerzeit zur Verfügung standen, band er schnell in sein Spiel ein. In der Folge eroberten die „Fohlen“ nach dem Aufstieg die Bundesliga. Aber Hennes Weisweiler wollte noch mehr, er wollte vor allem eines: Den 1. FC Köln schlagen. Genau das äußerte er auch vor den Begegnungen mit seinem Ex-Verein klar und deutlich. Dementsprechend war er, damit sind wir wieder beim Beginn dieses Textes, bei nicht wenigen FC-Fans extrem unbeliebt.

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Weisweiler hat Siege gegen den 1. FC Köln, von denen es leider viel zu viele gab, zelebriert und nicht selten hat er verbal ordentlich gestichelt. All das hatte sicher mit Enttäuschung und Zorn zu tun. Er hatte nicht vergessen, wie Franz Kremer ihn 1958 eben nicht ganz im beiderseitigen Einvernehmen aus dem Geißbockheim gedrängt hatte. Der damalige Präsident und Weisweiler, ohne Frage zwei Alphatiere, kamen nicht mehr miteinander klar. Er, der Premierenspieler der ersten FC-Elf, der als Spielertrainer dem Verein zur Erstklassigkeit verhalf und lange Jahre geprägt hatte, war arrogant abgeschoben worden. Das alles nagte am geborenen Lechenicher.

Jahre der Gegnerschaft

In Mönchengladbach fand er das vor, was er benötigte, um quasi eine Art „Gegen-FC“ aufzubauen. Siege gegen das selbsternannte „Real Madrid des Westens“ waren seine größten, Niederlagen hingegen eine Schmach. Ich glaube, er hat den FC schon auf eine gewisse Art geliebt, aber eben ob seiner durchaus auch nach außen getragenen Arroganz auch gehasst („die haben mich immer abwertend ‚de Boor‘ genannt“). Liebe und Hass sind ja nah beieinander … man kennt dies ja. Das Pokalfinale 1973 war sicher ein Höhepunkt für den Trainer Weisweiler. Den 2:1-Sieg nach Verlängerung gegen den 1. FC Köln, im wohl fußballerisch wunderbarsten Endspiel der Pokal-Geschichte, war für ihn aber dennoch ein Genuss mit Einschränkung.

„Die haben mich immer abwertend ‚de Boor‘ genannt!“

Hatte sich der scheidende Niederrhein-Superstar Günter Netzer doch zunächst Weisweilers Maßnahme verweigert, sich in der Halbzeit einwechseln zu lassen. In der Verlängerung überkam Netzer dann die Idee, seinen Einsatz-Zeitpunkt selbst zu bestimmen, die er auch unabgesprochen mit dem Trainer umsetzte. Es war dann irgendwie logisch, das „ausgerechnet Netzer“ seinen Fuß parat hielt, um den Ball in das von Gerd Welz an diesem Tag ansonsten herausragend gehütete Tor abzufälschen. Der Coach wurde also von seinem „Intimfeind“ Netzer durch die berüchtigte Selbsteinwechslung brüskiert, der Erfolg wurde quasi ohne ihn herbeigeführt.

Cruyff vs. Weisweiler

Weisweiler blieb noch bis 1975 am Niederrhein. Als er schließlich den Verein Richtung Barcelona nach elf Jahren verließ, konnte er auf drei deutsche Meisterschaften, einen UEFA-Cup-Sieg und eben jenen Triumph im DFB-Pokal verweisen. In Barcelona scheiterte der Rheinländer jedoch kolossal, vor allem scheiterte Weisweiler an seinem selbstgewählten Prinzip, sich die jeweiligen „Köpfe“ vorzunehmen. Johan Cruyff, der niederländische Superstar, hatte sich bei Barca längst eine Hausmacht gesichert. Medien und Vereinsbosse waren auf Seiten des genialen Spielers, als Weisweiler den Mittelfeldspieler und Angreifer zu mehr Defensive anriet und ihn sogar auswechselte.

Mit letzterem war geradezu ein Sakrileg begangen worden. In der Folge ließ Cruyff, der katalonischen und spanischen Sprache mächtig, keine Gelegenheit aus, um seinen Vorgesetzten in Interviews und vor den Fans schlecht dastehen zu lassen. Die Vereinsführung beendete die unendliche Kontroverse damit, dass sie mit Cruyff den Vertrag verlängerte. Weisweiler bat daraufhin um vorzeitige Auflösung des Zweijahresvertrages.

Weisweilers Pech in Barcelona war das große Glück des 1. FC Köln. Dort war in der Zwischenzeit eine phantastische Elf unterwegs, die insbesondere im Stadion-Provisorium Radrennbahn an guten Tagen absolute Weltklasse verkörperte und demzufolge auch Klasseteams mit hohen Niederlagen nach Hause schickte. Doch die Zeit mit großartigen Spielern wie Wolfgang Overath, Heinz Flohe, Herbert Neumann, Wolfgang Weber, Dieter Müller, Hannes Löhr, Bernd Cullmann und vielen anderen Stars blieb unverständlicherweise titellos.

Der Mannschaft fehlte schlicht die Stabilität, nach zum Teil grandiosen Heimsiegen holte man sich lustlos diverse unnötige Auswärtspleiten ab. Gerne auch mal bei den kleinen Vereinen in der Provinz. Den Grund dafür fand man, sicher nicht zu Unrecht, auch auf der Trainerbank. Kein Übungsleiter fand in dieser Phase den Schlüssel, die reichlich vorhandenen PS dauerhaft auf die Straße zu bringen.

Top-Team sucht Top-Trainer: Die Rückkehr des kölschen Hennes

Das hochveranlagte, aber sicher nicht einfach zu leitende Team um den äußerst selbstbewussten Weltstar Wolfgang Overath, der wie selbstverständlich die Richtung des Spiels und des Spielstils, manchmal gar die Umfänge seiner eigenen Trainingseinheiten bestimmte, verlangte nach einem mindestens ebenso hochbegabten und persönlichkeitsstarken Top-Trainer. Da konnte es zu dieser Zeit einfach nur einen geben, den man unbedingt holen musste. Es war an der Zeit, dass hier etwas zusammenkam, was eigentlich sowieso schon immer zusammengehörte: Der 1. FC Köln und Hennes Weisweiler.

Weisweiler galt nicht unbedingt als Freund des kölschen Wesens. Jedenfalls nicht in Gänze, die kölsche „Et kütt, wie et kütt“-Mentalität war ihm zuwider, wenn er auch gerne feierte und durchaus seine rheinischen Seiten zu zeigen vermochte. Allerdings dürfte der Gedanke, dass nur er den Kölnern höchste Weihen bringen könne, auch eine Rolle gespielt haben. Im Fußball aber ging ihm der Erfolg über alles. Dies war wohl der Hauptgrund, warum es ihn nach Köln zurück verschlug. Letztlich sah Weisweiler nämlich ein absolutes Top-Team, mit dem die Chance auf die Meisterschaft am größten war, deshalb die Rückkehr ans Geißbockheim.

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Manager Kalli Thielen gelang damit eine Rückholaktion, die ganz Köln in Aufruhr und Vorfreude versetzte. Vergessen waren die Sticheleien aus Gladbacher Zeiten, schließlich galt Weisweiler als einer der besten Trainer Europas. Auch die alte Verbundenheit aus gemeinsamen Zeiten war natürlich nicht vergessen. Wer, wenn nicht er, sollte den 1. FC Köln endlich zu den Titeln führen, die ihm mit solch herausragenden Spielern ja irgendwie auch zustanden. „Dä Hennes jehört zu uns wie der Dom zu Kölle, dä määt dat schon“ klang es aus vielen Fanmündern und so wurde der verlorene Sohn ganz schnell wieder ins kölsche Herz geschlossen. Die Erwartungshaltung der Fans, über 10.000 sahen das erste Training, … damals war sie im Verhältnis zu heute tatsächlich sehr hoch und Weisweiler war quasi zum Erfolg verdammt.

Wachablösung – Weisweiler demontiert Overath

All dies war ihm bewusst, er stellte sich dem und er schaute sich sein neues Team daraufhin ganz genau an.  Der neue Trainer erkannte rasch, dass auch an Wolfgang Overath, dem großen FC-Star der 60er und frühen 70er Jahre, der Zahn der Zeit genagt hatte, befand sich dieser doch zu Weisweilers Amtsbeginn bereits in seinem 33. Lebensjahr. Zusätzlich war der FC in den letzten Jahren zu leicht ausrechenbar geworden, hatte man das Spiel doch voll und ganz auf Overath ausgerichtet. Auch Weisweiler hatte schließlich von dieser Konstante im Kölner Spiel als Gladbacher Trainer in einigen Spielen profitieren können.

Aus diesen Gründen demontierte der Top-Trainer den Weltmeister von 1974 nach und nach und hatte damit Erfolg. Entgegen der weit verbreiteten und falschen Annahme, dass Overath erst nach dem Pokalfinale 1977 zurücktrat, tat er dies bereits weit zuvor, um die Saison dann noch normal zu Ende zu spielen. Die Spannungen zwischen den beiden Top-Egos hatten den FC schließlich die komplette Saison über begleitet und sicher hatten diese heftigen Zwistigkeiten, die öffentlich ausgetragen wurden, die durchaus vorhandenen Meisterchancen mit zunichte gemacht.

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

In Weisweilers erstem Jahr feierte der FC durch den 1:0-Sieg über Hertha BSC im DFB-Pokalfinale dennoch seinen ersten Titel nach neun langen Jahren. Es war ein Titel, der ein wenig als Trostpflaster für die entgangene Meisterschaft galt und er wurde mit einem „Typisch FC“-Ausruf begleitet. Warum? Weil der 1. FC Köln die bis dahin und bis heute einzige Mannschaft darstellt, die dafür zwei Endspiele benötigte und das Ganze auch noch zum großen, finalen Krach zwischen Weisweiler und dem längst zurückgetretenen Wolfgang Overath führte. Diesen hatte Weisweiler nach dem 1:1 im ersten Endspiel am Ende gar nicht mehr aufgestellt und so für schlechte Stimmung gesorgt.

Flohes Beförderung durch Hennes

In der Saison 1977/78 sollte schließlich Heinz Flohe als Nachfolger von Wolfgang Overath das Team führen. Jahrelang hatte Flohe mit Overath und dem emsigen Arbeiter Heinz Simmet ein Mittelfeld gebildet, das seinesgleichen suchte. Nachdem er in den ersten gemeinsamen Jahren sicher von Overath profitierte und von ihm lernte, war er mit den Jahren immer selbstbewusster und besser geworden. Doch die Rolle des Regisseurs lag wie festgegossen bei Overath, auch als Flohe ab einem gewissen Zeitpunkt leistungstechnisch höher einzuschätzen war. Weisweiler hatte dies bereits als gegnerischer Trainer bemerkt. Er sah in ihm etwas, was viele vor ihm nicht erkannt hatten.

Dieser Spieler war nämlich deutlich mehr als nur ein überragender Dribbler. Er hatte eindeutige Leaderqualitäten, die er aber aufgrund der Machtfülle Overaths nur temporär einsetzen konnte. In der Mannschaft war „Flocke“ sehr beliebt, seine Dynamik war ansteckend, der Siegeswille enorm und vom technischen Rüstzeug her konnten ihm auf dem ganzen Planeten nur wenige das Wasser reichen. Jetzt aber sollte der weiße Brasilianer, als der er seinerzeit gerne bezeichnet wurde, vom Rastelli zum Chef werden. Jemand, der die Mannschaft anführt, ihr die Richtung und das Tempo vorgibt.

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

So jedenfalls lautete der Entschluss Weisweilers, der ab sofort voll auf den Euskirchener setzte. Doch konnte Flohe das überhaupt? Nicht wenige waren skeptisch, Flohe wurde zwar als trickreich-genialer Spieler enorm hoch geschätzt, aber man trauerte dennoch öffentlich der Führungsfigur Overath hinterher. Doch dies dauerte nicht lange, denn der von Weisweiler beförderte Flohe wuchs nach anfänglichen Schwierigkeiten mehr und mehr in die Rolle des Chefs hinein, ging voran und konnte sein ganzes Team mitziehen. Die Mannschaft überstand einige Krisen und belohnte sich mit dem Kampf um den Meistertitel.

Auf der nächsten Seite: Vom Beinahe-Rausschmiss zum Double-Triumph

Doch zuvor, in der schwierigsten Phase, im Herbst 1977 war Weisweiler zwischenzeitlich tatsächlich in Gefahr, den Verein verlassen zu müssen. Die Ergebnisse waren das eine, aber auch die Art und Weise, wie Overath abserviert worden war und sich dies scheinbar nicht einmal auszahlte, hatten Zweifel im Verein gesät. Die Gremien tagten also (so wie sie das immer tun) und entschieden sich letztlich, Weisweiler auch nach einigen Niederlagen in der Bundesliga und dem Europapokal-Aus in Porto weitere Chancen einzuräumen. Im nächsten Spiel folgte der 5:2-Auswärtssieg bei Meisterschaftsmitfavorit Borussia Mönchengladbach (ausgerechnet) und der FC-Express nahm von da an Kurs Richtung Salatschüssel. Von einer Entlassung des Trainers war dann auch keine Rede mehr.

Insbesondere am Ende der Saison zeigte sich die Wichtigkeit eines erfahrenen Top-Trainers. Der Effzeh gewann nun auch die Spiele, in denen es darauf ankam. Die alte FC-Krankheit, Spiele in ganz besonders wichtigen Momenten zu vergeigen, gab es nämlich bereits in den aus heutiger Sicht glorreichen 70er Jahren. In dieser Saison wurde diese Regel aber außer Kraft gesetzt. In der Endphase, als das Fernduell mit Gladbach bereits auf hohem Niveau lief, siegte der FC unter anderem in Kaiserslautern, wo es normalerweise kaum etwas für die „Geißböcke“ zu holen gab. Hier zahlte sich Weisweilers geradezu manisches Eckballtraining noch einmal besonders aus.

Das Double des Hennes Weisweiler

In der ganzen Saison hatte man bereits viele Tore aus Eckbällen erzielt, was nicht alle im Verein guthießen, weil man spielerisch brillieren wollte. Doch der Coach ließ sich nicht beirren, beide Treffer beim enorm wichtigen 2:0-Sieg in Kaiserslautern fielen nach immer wieder eingeübten Eckballvarianten.  Auch dem Druck, das Pokalfinale gegen Düsseldorf bereits vor dem Saisonende bestreiten zu müssen, hielt man unter Weisweilers Führung als Favorit stand. Das Spiel mag nicht mit Glanz und Gloria gewonnen worden sein, aber man bestand den Titeltest in abgeklärter Manier und hatte damit bereits eine Trophäe in der Tasche.

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Weisweiler wird innerlich aufgeatmet haben, schließlich wäre der Druck unfassbar hoch geworden, hätte man die Möglichkeit liegengelassen und nur noch eine Patrone übrig, die dann sitzen musste.  Nun aber war die Chance auf das geschichtsträchtige „Double“ da und man ließ sich diese nicht mehr nehmen. Im Nervenspiel gegen den VfB Stuttgart setzte man sich im komplett ausflippenden Müngersdorfer Stadion knapp mit 2:1 durch. Im Stadion war man zeitweise der Meinung bereits Meister zu sein, weil Gladbach beim HSV lange Zeit zurückgelegt hatte. Doch der Kontrahent konnte durch einen gewaltigen Schlussspurt noch hoch gewinnen und so musste der letzte Spieltag entscheiden.

Dieser letzte Spieltag ging in die Geschichte ein und muss eigentlich nicht mehr in epischer Breite geschildert werden. Kurzum: Der 1. FC Köln gewann mit 5:0 beim FC St. Pauli. Der 12:0-Sieg Gladbachs gegen den BVB, dessen lustlose Einstellung in dieser Begegnung zum Schämen war, war letztlich nur ein kurioses Ergebnis für die Bundesliga-Statistik.  Hennes Weisweiler hatte dies möglich gemacht, gerade in dieser Crunchtime zeigte sich der FC-Coach in bester Verfassung, machte keine Fehler im Fernduell mit Mönchengladbach, zeigte sich öffentlich in Interviews selbstbewusst, aber ohne dabei zu überdrehen, wie es viele Jahre später ein Christoph Daum im Duell mit den Bayern machte.

Die große Ära des 1. FC Köln blieb aus – Weisweilers Anteil

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Er setzte in den wichtigen Momenten auf die richtigen Spieler, ein nicht immer unumstrittener Yasuhiko Okudera etwa erzielte in dieser Meisterschaftsendphase extrem wichtige Tore. Der Trainer hatte sich immer für den ersten japanischen Spieler der Bundesliga stark gemacht, schließlich hatte er ihn selbst geholt und in Besuchen bei ihm zu Hause auch stark geredet und Mut zugesprochen. Mit dem Gewinn des Doubles hatte Weisweiler den kölschen Gipfel erklommen, gleich drei wichtige Titel in zwei Saisons, das wird ihm in Köln wohl kaum nochmal einer nachmachen.

„Jetzt folgt eine große Ära des 1. FC Köln“ – das dachten sicher nicht wenige, als der in der Saison alles überragende Kapitän Heinz Flohe die Meisterschale präsentierte und gleichzeitig der DFB-Pokal von Spielerhand zu Spielerhand gereicht wurde. Trainer Hennes Weisweiler hatte scheinbar den Bann dauerhaft gebrochen, viele glaubten zu dieser Zeit – gar nicht mal zu Unrecht –, dass der FC nun die Chance nutzen könne, schwächelnde Bayern und danach auch abbauende Gladbacher dauerhaft als Spitzenteam der Liga abzulösen. Die Chance war da, doch leider wurde sie nicht wahrgenommen. Auch daran hatte Weisweiler einen gewissen Anteil.

In der Folgesaison war Kapitän Flohe durch eine bei der WM erlittenen Verletzung lange ausgefallen, die Mannschaft hatte daraufhin große Probleme in der Liga, hielt sich aber immerhin im Europapokal der Landesmeister schadlos. Doch nach dem Aus im Halbfinale gegen Nottingham Forrest war die Chance, den berühmten „Henkelpott“ nach Köln zu holen, hinüber, danach brach die Mannschaft regelrecht zusammen. Auch Weisweiler war tief getroffen, hatte er doch bereits mit Mönchengladbach den wichtigsten Pokal des europäischen, ja des Welt-Fußballs immer knapp verpasst. Für den Trainer war in diesem Moment sicher auch ein persönlicher Traum zerplatzt.

Der Abschied vom FC und für immer

In diese unselige Gemengelage fiel dann auch noch das Ausscheiden im DFB-Pokal sowie die derbe 0:6-Auswärtsniederlage beim HSV. Dort war der endlich einmal halbwegs gesunde Flohe, gemeinsam mit Herbert Neumann, vom Platz geflogen. Unsinnigerweise wurden daraufhin beide vom Verein suspendiert, Weisweiler zeigte sich unnachgiebig und entzog seinem einstigen Chefspieler das Vertrauen. Eine Maßnahme mit sehr weitreichenden Folgen, denn der zutiefst gekränkte Flohe wollte anschließend nur noch weg. Es kam zum Wechsel, den Weisweiler nicht mehr verhindern konnte und zuvor auch nicht wollte.

Artikelbild:100 Jahre Hennes Weisweiler: Ein Leben für und gegen den 1. FC Köln

Die Folgesaison brachte zwar mit Tony Woodcock einen neuen Star, aber spätestens zur Rückrunde war das Klima zwischen Weisweiler und seinem Verein vergiftet. Präsident Weiand hatte sich scheinbar geringschätzig über den Trainer geäußert, als der Vereinsboss dann auch mit der angedachten Vertragsverlängerung mit Weisweiler zögerte, nahm dieser verärgert ein schon länger vorliegenden Angebot von Cosmos New York an. Nach einer eilig zustande gekommenen Vertragsauflösung endete Mitte April 1980 die Zusammenarbeit des 1. FC Köln mit seinem erfolgreichsten Trainer nach 130 Bundesligaspielen.

Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass dem zu dieser Zeit 60-jährigen, sehr vitalen Weisweiler nur noch drei Jahre unter uns bevorstanden. Er tat in dieser Zeit, was er immer machte: Mannschaften trainieren und Titel gewinnen. Mit Cosmos wurde er US-Meister und Grashoppers Zürich hinterließ er das, was er schon beim FC als größtes Geschenk hinterließ: Das Double, bestehend aus der Schweizer Landesmeisterschaft und dem Gewinn des Vereinspokals. Am 5. Juli 1983 erlag der Mann aus Lechenich schließlich einem Herzinfarkt. Der Trauerfeier im und am Kölner Dom wohnten über 20.000 Menschen bei, die Anteilnahme war riesig.

Weisweilers Erbe

Hennes Weisweiler wäre am 5. Dezember 2019 stolze 100 Jahre alt geworden. Er hat es geschafft, gleich zwei, sehr unterschiedliche und sich gegenseitig rivalisierende Vereine zu prägen. Ja, regelrecht ein Derby entstehen zu lassen, wo regional eigentlich gar kein Derby entstehen konnte. Für beide Vereine ist er „ihr Hennes“. Für beide Vereine war er elf Jahre als Trainer tätig, in Mönchengladbach am Stück, beim Effzeh in drei Amtszeiten.

Beiden hat er Titel, Erfolge und große Fußballfeste geschenkt … und durch ein bisschen Zoff auch Leben in die jeweiligen Buden gebracht.  Der Fußball, das Rheinland und natürlich der 1. FC Köln wären ohne sein Wirken nicht vorstellbar. Der Verein mit dem Maskottchen, welches seinen Namen trägt, hat ihm einen großen Teil des Glanzes zu verdanken, weswegen er sich auch heute noch, in eher sportlich-bescheidenen Zeiten, als Traditionsverein bezeichnen darf. Danke für alles, Hennes Weisweiler!

Impressum des Publishers ansehen