Eine Auseinandersetzung mit der Recherche zu Unions Nachwuchsleistungszentrum | OneFootball

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Textilvergehen

·24. Mai 2021

Eine Auseinandersetzung mit der Recherche zu Unions Nachwuchsleistungszentrum

Artikelbild:Eine Auseinandersetzung mit der Recherche zu Unions Nachwuchsleistungszentrum

Als Fußballfan muss man leidensfähig sein. Nicht nur im Spiel, sondern mittlerweile bei allen Debatten, die sich abseits des Rasens abspielen. So ist es auch beim 1. FC Union Berlin. In der Regel schaue ich mir alle Perspektiven interessiert an und bin dabei oft genug kritisch gegenüber meinem eigenen Verein.

Nun hat vor Kurzem ein Rechercheteam von BuzzFeed News und der Märkischen Allgemeinen Zeitung einen Artikel mit der Überschrift “Ausländerquote” bei Union Berlin? Schwere Diskriminierungs-Vorwürfe gegen Bundesligisten veröffentlicht. Später schreibt Philipp Köster auf 11FREUNDE in einer Summary: „So soll der Anteil der Migranten unter den Jugendspielern unter der Ägide des neuen Cheftrainers André Hofschneider von 40 auf 10 Prozent gesunken sein.“ Konfrontiert mit derlei leichtfertigen Kürzungen eines 5000 Wörter starken Artikels, die deutschlandweit über den Äther gehen, sehe ich meine Leidensfähigkeit nun aufgebraucht und möchte versuchen, die Themen besser einzuordnen, als es die Journalisten hier getan haben.


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Eine Vorbemerkung in eigener Sache

Wer bin ich eigentlich, dass ich glaube mir dies zuzutrauen? Ich gehe seit 1992 ununterbrochen zu Spielen des 1. FC Union Berlin und bin seit 20 Jahren passives Mitglied des Vereins. Seit der Implementierung des NLZ im Jahr 2001 habe ich mich neben der 1. Herrenmannschaft auch immer mehr für die zweite Mannschaft und den Nachwuchs interessiert, hier oft Spiele besucht und mit Trainern und Spielern gesprochen.

2005 habe ich mit weiteren Mitstreitern angefangen, Artikel zum Nachwuchs im Internet oder auch im Stadionheft zu veröffentlichen. Später haben wir eine eigene Homepage zum Unionnachwuchs unterhalten, um Unionfans ständig und unabhängig über den Nachwuchs zu informieren. Vor zehn Jahren war ich auch einmal im Textilvergehen-Podcast zum Thema Nachwuchs zu Gast.

Durch diese Arbeit habe ich recht tiefe Einblicke in die Philosophie und Strategie des Nachwuchses des 1. FC Union erhalten. Der Kontakt mit Trainern aus der Nachwuchsabteilung besteht bis heute. Mittlerweile bin ich selbst Jugendtrainer eines kleineren Vereins in Köpenick und pflege auch in diesem Zusammenhang einen Austausch mit dem 1. FC Union. Ich meine daher einen guten Einblick zu haben, insbesondere auch was die Entwicklung des Nachwuchsbereiches über einen längeren Zeitraum angeht. André Hofschneider kenne ich persönlich übrigens nicht. Ich habe ihn allerdings noch für Union spielen sehen und natürlich seinen Werdegang immer verfolgt.

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Vorab, ich habe allerhöchsten Respekt vor der Arbeit der Journalistinnen und Journalisten in diesen Zeiten. Gerade das Thema Rassismus im Fußball und in der Gesellschaft ist ein sehr Großes und Aktuelles. Ich kann und werde das hier nicht ganzheitlich abhandeln können. Mir ist wichtig zu betonen, dass es in keiner Weise meine Intention ist, das Thema Rassismus kleinzureden, ganz im Gegenteil. Ich kann sagen, dass ich mich immer gegen Rassismus, gerade auch auf den Rängen eingesetzt habe.

In den 90ern waren diese unsäglichen „UhUh-Rufe“ beispielsweise nicht selten. Und wann immer ich sie gehört habe, habe ich mich dagegen aufgelehnt. Genauso muss es aber möglich sein, sich zu verteidigen, wenn man zu Unrecht des Rassismus bezichtigt wird. Deshalb schreibe ich diesen Artikel, da mein Verein hier aus meiner Sicht auf sehr leichtfertige und handwerklich fragwürdige Art und Weise mit dem Thema Rassismus und Ausländerfeindlichkeit konfrontiert und damit eigentlich irreparabel negativ belastet wird.

Eine zeitliche Anordnung

Zunächst muss man sich fragen, warum diese Thematik ausgerechnet zu einer Zeit aufkommt, wo seit über einem Jahr auf den Fußballplätzen kaum noch gespielt wird. Anhand der Recherchen, die jeder im Internet durchführen kann, kann man relativ einfach rekonstruieren, was hier passiert ist. Im Rasenfunk-Podcast (Schlusskonferenz Folge 33) berichtet Autor Laurenz Schreiner, er habe bereits vor eineinhalb Jahren aufgrund einer Recherche Hinweise bekommen, dass er sich bei Union mal umsehen soll, da dort mit Kindern unsensibel und hart umgegangen werde.

Der einzige Artikel, der von ihm in dieser Zeit geschrieben wurde, ist ein Beitrag über Talent-Scouting („Karriere nach Maß“ im Tagesspiegel) im August 2019. Er hatte dann „keine Zeit gefunden“, der Sache nachzugehen. Nach eigenen Angaben im Februar 2021 plötzlich, er wechselt als Praktikant zu BuzzFeed News, macht er ein Thema daraus, gemeinsam mit David Joram (früher Tagesspiegel, heute Märkische Allgemeine Zeitung) – 18 Monate nach dem ersten Hinweis. Er erklärt nicht, was zeitlich davor passiert ist.

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Ich möchte eine Hilfestellung bei der zeitlichen Einordnung geben. Die Spieler werden allein aufgrund der Wechselfristen bereits ab März 2020 informiert. Später im August 2020 erlebt der FC Bayern München einen echten Rassismus-Skandal in seinem Nachwuchsbereich, da sich unter anderem ein Jugendtrainer nachweislich über Chatprotokolle rassistisch geäußert hat (Sportschau). Der Fall sorgt für bundesweite Entrüstung. Am 06.09.2020 geht ein Elternbrief von ehemaligen Unionspielern im anonymen Postfach des Berliner Fußballverbandes (BFV) ein. Dieser nimmt Bezug auf die Geschehnisse beim FC Bayern, verbunden mit der Androhung die Presse zu informieren.

Die Korrespondenz mit BFV-Mitarbeitern und Lutz Munack erstreckt sich bis zum 02.11.2020. Am 15.01.2021 spielt der 1. FC Union in der Bundesliga gegen Bayer Leverkusen. Das Spiel wird vom Rassismus-Vorwurf gegen Florian Hübner überschattet. David Joram schreibt im Sportbuzzer zwei Kommentare nur zu diesem Thema (16.01. und 22.01.2021).

Elternbrief als inhaltliche Beschränkung?

Es ist auffällig, wie unkritisch die Autoren die unhöfliche und wenig sachorientierte Haltung der Spielereltern in dem im BuzzFeed-Artikel veröffentlichten anonymen Schreiben an den BFV überhaupt nicht hinterfragen und kritisieren. Fragen wie „Waren die vorherigen sportlichen Verantwortlichen so inkompetent?“ oder „Hat der neue Sportliche Leiter André Hofschneider die ‘Ausländerquote’ durchgesetzt?“ werden gestellt. Gleich zweimal wird angedroht, die Presse einzuschalten, was im Artikel selbst nicht erwähnt wird. Erwähnt wird aber dafür, dass Lutz Munack sich rechtliche Schritte vorbehält, als Outro des gesamten Artikels. Dieses Muster der Autoren, Sachverhalte nicht in den Kontext zu bringen, zieht sich durch wie ein bewusstes Stilmittel, worauf ich später noch einmal eingehen werde.

Des Weiteren ist zu beanstanden, dass die Autoren sich fast ausschließlich auf die Meinungen der Spieler und Eltern mit Migrationshintergrund der Jahrgänge 2003 und 2004 beziehen, die das NLZ verlassen mussten. Es ist doch naheliegend, dass hier Enttäuschung und eine andere Selbstwahrnehmung eine Rolle spielen. Auch ist es naheliegend, dass inhaltliche Gründe für das Verlassen des NLZ vom Verein gegenüber den Spielern und deren Eltern genannt wurden. Nach über 30 Gesprächen wurde den Autoren, die ausschließlich diskriminierende und kommunikative Fehler monieren, aber angeblich nichts Inhaltliches mitgeteilt?

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Das NLZ besteht von der U19 bis zur U12, also aus den Jahrgängen 2002 bis 2009. Alles darunter ist Kinderbereich. Warum wurden nicht alle Jahrgänge untersucht? Warum wurden keine deutschen Spieler befragt, ob sie Auffälligkeiten mitbekommen haben? Warum wurden keine ehemaligen Spieler des NLZ befragt, die es nicht geschafft haben? Warum wurden ehemalige Spieler mit Migrationshintergrund, die mit André Hofschneider zusammengearbeitet haben, nicht befragt?

Um einige potenzielle Namen zu nennen: Cihan Kahraman, Ahmed Waseem Razeek, Eroll Zejnullahu, Berkan Taz, Berk Inaler, Maurice Opfermann-Arcones. Der Artikel beginnt mit dem Hinweis auf ein Imagevideo von Adidas. Zu sehen ist hier auch Josephine Bonsu, Spielerin der ersten Frauenmannschaft, ausgebildet im eigenen Nachwuchs. Warum wurde sie nicht befragt? Aus meiner Sicht gehört es zur journalistischen Sorgfalt mehrere Meinungen in der Breite einzuholen, gerade wenn es um ein solch sensibles Thema geht.

Stattdessen gibt es ausschließlich anonyme Aussagen wie die vermeintliche Aussage eines Mitarbeiters: „Wenn er einen Ausländer und einen Deutschen zur Wahl hat, die gleich gut sind, dann nimmt er den Deutschen.“ Eine Aussage ohne jegliche Evidenz, die von den Autoren einfach so in den Raum gestellt wird. Genauso wie der Hinweis, dass André Hofschneider „Diktator“ genannt werde.

Lang ausgebreitet wird zudem die Geschichte eines türkischen U16-Spielers, der nach Moldau zu einem Länderspiel reiste. Die Umstände werden auch hier völlig einseitig und verzogen dargestellt. Die Autoren recherchieren nicht etwa, warum gerade der türkische Verband immer wieder abseits der Abstellungsperioden zu Länderspielen einlädt (Abstellungsperioden gibt es übrigens, um genau solche Fälle mehrerer Spiele in wenigen Tagen zu vermeiden).

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Vereine wie Union versuchen dann trotzdem, den Spielern solche Chancen unter schwierigen Umständen zu ermöglichen und bezahlen in der Regel auch alle Reisekosten. Daraus dem Verein einen Strick drehen zu wollen, ist schon boshaft. Ferner wird noch eingestreut, dass Union als einziger Bundesligist noch keinen Local Player eingesetzt hätte. Inhaltlich ist es unklar, warum das wichtig ist, aber es ist auch falsch recherchiert. Mit Tim Luis Maciejewski wurde in dieser Saison ein Local Player beim 1. FC Union in der Bundesliga eingesetzt.

Fehlende Einordnung von Aussagen

Der BuzzFeed-Artikel ist im Weiteren eine Anhäufung an einzelnen Schilderungen, deren Wahrheitsgehalt nicht nachprüfbar ist. Ich persönlich kann mir gut vorstellen, dass im März 2020, als die Corona-Lage völlig unklar war, es kommunikativ sehr schwierig war, negative Botschaften an Spieler zu senden, die den Verein verlassen müssen. Hier scheint einiges nicht gut funktioniert zu haben.

Auch hier fehlt mir aber wieder die Einordnung, dass es in dieser Situation, in der man sich nicht persönlich begegnen kann, natürlich schwieriger ist, solche Gespräche zu führen. Gerade wenn man nicht mehr im ständigen Kontakt stand. Die Corona-Situation wird von den Redakteuren überhaupt nicht erörtert. Auch im NLZ arbeiten nur Menschen. Und für die war die Situation genauso neu wie für alle anderen.

Unverständlich ist auch die Häufung an irreführenden Aussagen: „Innerhalb von zwei Jahren ist die Quote von über 40 auf zehn Prozent gefallen.“ Auch hier fehlt wieder Kontext. Der 1. FC Union hat seit vielen Jahren die Philosophie, Spieler spätestens bis zur C-Jugend rekrutiert zu haben. In der B- und A-Jugend werden nur noch wenige Spieler dazugeholt. Faktisch ist es so, dass Union in der Tat in den letzten fünf Jahren besonders viele Spieler mit Migrationshintergrund im D- und C-Jugendbereich geholt hat, die Jahrgänge 2003 und 2004 im Besonderen.

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Die Redakteure schreiben, dass die Anzahl der Spieler der Jahrgänge 2003 und 2004 absolut von 45 auf 30 Spieler gefallen ist. Das ist zunächst eine normale Entwicklung. Da Union keine U18 hat und in der A-Jugend mit zwei Jahrgängen spielt, liegt es in der Natur der Sache, dass also circa ein Dutzend Spieler des Jahrgangs 2003 im Sommer das NLZ verlassen mussten. Wenn dieser Jahrgang aus genannten Gründen von sehr vielen Spielern mit Migrationshintergrund geprägt ist, dann ist es reine Mathematik, dass hier auch viele Spieler mit Migrationshintergrund den Verein verlassen müssen.

Laut Aussage der Redakteure wurden viele Spieler bereits vor und während der Zeit bei der U17 aussortiert. Richtig ist, dass die U17-Spieler bereits ab März 2020 informiert wurden, damit sie noch rechtzeitig wechseln dürfen, um für die U19 einen neuen Verein zu finden.

Die Selektion in der U17, welche Spieler für den Profibereich in Frage kommen, ist eine alljährliche Härteprobe für alle Beteiligten, weil eben fernab normaler Fluktuation (zum Beispiel durch Abwerbungen) ungewöhnlich viele Spieler den Verein verlassen müssen. Die Selektion geschieht ganz ausschließlich auf die Befähigung, im Profibereich bestehen zu können. Das heißt, die Pyramide in U17 und U19 ist hier durch die Abschaffung der U23 noch einmal verengt worden.

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Es wird permanent abgeglichen, welche Potenziale und Fähigkeiten ein Spieler für bestimmte Positionen im Leistungsbereich zwingend haben muss. Hier kann es sein, dass zum Beispiel ein absolut begnadeter Dribbler gehen muss, weil er nicht die nötige Spielintelligenz besitzt. In einem anderen Fall kann es sein, dass ein sehr auffälliger Spieler, der viele Tore schießt, gehen muss, weil man davon ausgeht, dass er aktuell nur einen körperlichen Vorsprung hat. Diese Entscheidungen sinnvoll zu erklären, ist eine delikate Aufgabe, bei der ich mir vorstellen kann, dass dies extrem schwierig für alle Beteiligten ist.

Des weiteren ist die Frage zu stellen, welche Relevanz es hat, dass man im Artikel nur Spieler nach türkischen und arabischen Migrationshintergrund aus nur diesen beiden Jahrgängen bewertet. Die Autoren schließen sich hier völlig unkritisch, der einseitigen Argumentationslinie der Spielereltern aus dem anonymen Brief an den BFV an und leiten darüber eine eindeutige Korrelation und statistische Signifikanz ab, die die Diskriminierung nachweisen soll.

Die aktuelle A-Jugend hat mit Georgios Labroussis, Milos Cvjetinovic, Leonid Srdic, Kaan Tüysüz, Ünal-Emre Durmushan, Omar Hajjaj und Ruben Travassos eine Anzahl an Spielern mit Migrationshintergrund. Für die aktuelle B-Jugend (U16/U17) wären Berkin Arslanogullari, Cedric Kamdem, Emre Akova, Malick Sanogo, Kambiz Walliziada, Albion Jahaj, Baris Kalayci, Jeff Nnaemeka-Chukwurah, Muhammed Aydin, Leonid Ibrahimi und Marko Trojanovic zu nennen. Möge sich jemand melden, der hier Auffälligkeiten besonders deutscher Kader feststellen möchte.

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Die Autoren hinterfragen nicht, ob eine Quote von 40% an arabisch-türkisch-stämmigen Anteil normal sind. Die Benchmark muss doch sein, was in hiesigen Gefilden einen normalen Durchschnitt darstellt. Laut einer Meldung von berlin.de aus dem Jahr 2020 gibt es in Berlin 182.000 Menschen mit türkischen und 154.000 Menschen mit arabischen Wurzeln. Bei 3,77 Millionen Einwohnern in Berlin ergibt dies einen Durchschnitt von 9% arabisch-türkisch stämmiger Menschen in Berlin. Insgesamt leben in Berlin 1,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, was 34% entspricht. Den niedrigsten Anteil hat dabei der Stadtbezirk Treptow-Köpenick mit 17%. Die Frage muss auch hier erlaubt sein, warum die Redakteure diese statistische Einordnung nicht vollziehen.

Ein Interview entkräftet Vorwürfe

Wenige Tage nach der Veröffentlichung schob BuzzFeed ein Interview mit dem Union-Nachwuchs-Scout Lars Mrosko nach. Inhaltlich entkräftet Lars Mrosko den Vorwurf des Rassismus vollständig. Es darf gefragt werden, ob jemand, der nur halbtags für den Verein arbeitet und am operativen Trainings- und Wettkampfbetrieb gar nicht teilnimmt, sondern vor allem Berichte von Spielern auf anderen Plätzen schreibt, der prädestinierte Gesprächspartner ist. Immerhin geht es hier um einen knallharten Rassismus-Vorwurf.

In der Headline wird der Diskriminierungsvorwurf vermischt mit Mroskos Aussage, dass er den „Kampf hätte annehmen sollen“. Dieses Zitat ist allerdings bezogen auf seine globale Aussage „verschiedene Themen intern anders zu gestalten“. Das ist wieder extrem irreführend. Auch im Interview mit Lars Mrosko geht es immer nur in eine Stoßrichtung, die Fragen sind teils suggestiv.

Am Ende kann ich sagen, dass mir in 20 Jahren im Nachwuchsbereich von Union nie Tendenzen von ausländerfeindlichen Verhalten aufgefallen sind. Damit will ich nicht ausschließen, dass es im Einzelfall doch einmal dazu, ob bewusst oder unbewusst, gekommen ist. André Hofschneider, der im Artikel besonders kritisiert wird, war gerade in Zeiten als Co-Trainer absolutes Bindeglied zwischen Nachwuchs und Profimannschaft. Hier gab es überhaupt keine Auffälligkeiten, dass er deutsche Spieler bevorzugt. Auch nicht in seiner Zeit als A-Jugendtrainer, wo er mit vielen Spielern mit Migrationshintergrund gearbeitet hat.

Was ich mir gut vorstellen kann ist, dass kommunikativ bei der Vermittlung negativer Botschaften nicht alle Trainerinnen und Trainer optimal geschult sind und hier auch Missverständnisse auftreten. Im Leistungsbereich zu arbeiten, impliziert allerdings, dass man Spielern auch mitteilen muss, wenn etwas schlecht läuft. Das ist insbesondere im Alter ab der C-Jugend unumgänglich, um Spieler an die Leistungsspitze zu bringen. Hier hängt in der Kommunikation sehr viel von der Empathie des Senders ab. Aber natürlich auch von der Kritikfähigkeit des Empfängers.

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Grundsätzlich gibt es beim 1. FC Union halbjährlich Feedback-Gespräche, in denen auch eine Prognose abgegeben wird, um die Erwartungen der einzelnen Spieler zu managen. Am Ende zählt aber eben nicht nur die sportliche Komponente, sondern auch das soziale Auftreten und vor allem auch schulische Leistungen. Dass es hier im Teenageralter zu kurzfristigen Überraschungen kommen kann, ist offensichtlich. Gerade Spielereltern scheinen aber aus meiner eigenen Erfahrung da nicht immer die gleiche Selbstwahrnehmung zu haben.

Hier bricht für einige manchmal eine Welt zusammen, wenn man seinen Sprössling 10 Jahre lang durch die Gegend gefahren hat und dann ein Bundesligist sagt, man wird eher kein Profi. Ein Spielervater hat mir kürzlich erzählt: „Ich investiere mein Leben“. Für die Karriere seines Sohnes. Das sind Entwicklungen, die nachdenklich stimmen, für eine Quote im Promille-Bereich, dass es ein Jugendspieler wirklich zum Bundesliga-Profi schafft. Es liegt nahe, dass viele Spieler im Leistungssport auf diesen sehr wahrscheinlichen Fall nicht kindgerecht vorbereitet werden. Für Letzteres ist selbstredend als Teil der Sozialisation auch der Verein zuständig, zuallererst aber ganz sicher das eigene Elternhaus.

Das ist aber der Kontext, aus dem heraus hier Spielereltern im anonymen Elternbrief auf die Barrikaden gegangen sind. Wie beschrieben kann ich mir gut vorstellen, dass es kommunikativ noch Nachholbedarf gibt und es in Corona-Zeiten besonders schwer war, dies zu vermitteln. Über der ganzen Berichterstattung schwebt aber der Vorwurf der vorsätzlichen Diskriminierung und des Rassismus, der aus meiner Sicht bewusst sehr leichtfertig betrieben und nicht belegt wird. In überhaupt keiner Weise wird auch nur versucht, durch Gegenmeinungen oder Gegenbeispiele die negative Wirkung des Artikels zu entkräften.

Der Verein selbst hat 2015 auf seinem Terrain ein Flüchtlingsheim bereitgestellt und unterstützt seitdem auch das Flüchtlingsheim im Allende-Viertel. Aus dem Wirtschaftsrat des 1. FC Union heraus ist das Projekt Türöffner e.V. entstanden, wodurch mittlerweile über 400 Flüchtlinge in einen Job überführt wurden.

Auch die Nachwuchs-Kooperation mit dem FC Internationale, einem Verein der vorbildlich für Nachhaltigkeit und Integration und gegen Rassismus eintritt, ist ein Beleg dafür. Dieser Verein, dessen Spielerinnen und Spieler aller Altersklassen mit der Aufschrift „no racism“ auf ihren Trikots auflaufen, würde nicht mit dem 1. FC Union zusammenarbeiten, wenn es nur leiseste Rassismus-Tendenzen gäbe.

Vor einigen Jahren reiste die damalige U16 mit Lutz Munack nach Südafrika zum Projekt „Alte Försterei 2“ und veranstaltete Begegnungen mit Kindern, die in unvorstellbar schlechten Bedingungen (ich war selbst einmal dort) leben, und hat dort natürlich auch sehr viel Sportkleidung übergeben. Für die damaligen Spieler war es eine unvergessene Erfahrung und sicher wichtig für ihr eigenes Wertesystem.

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Den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung müssen sich die Redakteure hier gefallen lassen. Ich kann einfach nicht verstehen, warum die Autoren so viele Fakten nicht erwähnen und ebenso viele Fragen an relevante Personen nicht gestellt haben. Bei einem solch harten Vorwurf müssen einfach viel mehr inhaltlich belegbare Nachweise erfolgen. In Bezug auf Diskriminierung und Rassismus gibt es nicht einen handfesten Beleg. Das ist zu wenig.

Man kann über inhaltliche Details, auch über den Umgang des Vereins mit einem Fragenkatalog, diskutieren. Aber am Ende steht dieser große Rassismus-Verdacht im Raum. Hier ist es augenscheinlich so, dass medial die Message eher transportiert wird als zu hinterfragen, ob die Recherche der Autoren gut belegt ist, da dies viel aufwändiger wäre.

Hier wurde über Fragestellungen in der Headline und einzelne subjektive Erzählungen ein Rassismus-Verdacht gestreut. Das ist ein stilistisches Mittel, das ich nur aus dem Kampagnen-Journalismus im Boulevard kenne. Die Autoren Laurenz Schreiner, David Joram und Chefredakteur Daniel Drepper haben sich aus meiner Sicht offensichtlich von erbosten Spielereltern benutzen lassen und sind ihrer Pflicht der umfassenden fairen Berichterstattung nicht nachgekommen. Sie haben drei Monate an dem Bericht gearbeitet und es sollte scheinbar nicht umsonst gewesen sein, auch wenn sie nicht einen klaren Beweis für Diskriminierung und Rassismus finden konnten. Am Ende hat man sich fast ausschließlich an der Spielerliste geschasster Unionspieler abgearbeitet.

Das hat klare tendenziöse Züge, nur Indizien dankend aufzunehmen und dann nur in eine Richtung weiter zu recherchieren. Es bleibt die Frage, was Redakteure, deren Kernkompetenz nachweislich nicht der Jugendfußball ist, angespornt hat, einen solchen einseitigen Bericht zu verfassen. Die Vorwürfe sind so diffus aufbereitet worden, dass kein Verein dieser Welt darauf sinnvoll reagieren kann.

Hier wird harte – oftmals auch ehrenamtliche – Arbeit im sozialen und sportlichen Bereich verantwortungslos diskreditiert. Es erfolgt kaum eine Differenzierung, alles wird über einen Kamm geschoren, so dass mich selbst Fußball-uninteressierte Personen ansprechen, was denn Schlimmes bei Union los ist. Komisch, dass ich von all den vermeintlichen Tragödien 20 Jahre lang nichts mitbekommen habe.

Rassismus und Diskriminierung kann aus meiner Sicht nur im fairen Dialog verhindert werden. Was hier aber passiert ist, hat nichts mit Aufklärung und investigativer Recherche zu tun. Ist das ernsthaft die Art und Weise, wie wir als Menschen im Jahr 2021 miteinander umgehen wollen? Anstand und Respekt wurden hier aufgegeben. Für die ganz große Schlagzeile.

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