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Maximilian von Stuckrad-Barre·19. Mai 2024

Wie konnte das passieren? Ex-Buli-Trainer rasiert die Premier League

Artikelbild:Wie konnte das passieren? Ex-Buli-Trainer rasiert die Premier League

Der FC Bayern hat in den vergangenen Wochen bei der Trainersuche viele Absagen hinnehmen müssen, eine sticht dabei allerdings gewissermaßen heraus. Als man bei Crystal Palace bezüglich einer Verpflichtung von Oliver Glasner anfragte, soll Palace-Boss Steve Parish nicht einfach nur nein gesagt, sondern einem ‘Bild’-Bericht zufolge sogar mit einer angeblichen Ablöseforderung von 100 Millionen Euro auch gleich mal klargemacht haben, wie unverkäuflich Glasner ist. Wie also konnte es passieren, dass ein österreichischer Ex-Bundesliga-Coach bei einem englischen Mittelfeldteam so abliefert, dass der FC Bayern bei ihm abblitzt?

Dabei verdient es zunächst mal eine besondere Würdigung, dass der deutsche Rekordmeister auf der Suche nach einem neuen Trainer überhaupt bei einem Mitteklasseklub von der Insel anfragt. Und man kann eigentlich kaum mehr englisches Mittelfeldteam sein als der Crystal Palace Football Club. Seit der Rückkehr in die Premier League im Jahr 2013 hat der Verein aus Südlondon jede Saison stets zwischen Platz zehn und 15 beendet. Mit der Ausnahme des Patrick-Viera-Intermezzos hat Palace dabei immer auf Trainer gesetzt, die auch kaum mehr nach Trainern eines englischen Mittelfeldteams klingen könnten: Tony Pulis, Alan Pardew and Roy Hodgson.


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Was nun so gar nicht zu einem mustergültigen Mittelfeldteam passt: Vier der letzten fünf Spiele zu gewinnen und dabei sowohl Liverpool als auch Manchester United zu schlagen. Mit Oliver Glasner scheint Crystal Palace die über Jahre hinweg kultivierte Mittelmäßigkeit gerade ein wenig abzulegen. Was läuft anders?

Das vorweg: Den jüngsten Aufschwung der “Eagles” sollte man eher nicht dem ganz normalen Trainereffekt zuschreiben. Zwar gewann man das Glasner-Debüt im Februar mit 3:0 gegen Burnley, von den darauf folgenden sechs Partien wurde aber nur ein weiteres gewonnen. Erst mit dem 1:0 Erfolg gegen Klopps Liverpool begann Mitte April die kleine Serie der Londoner.

Dass Glaser ein paar Wochen brauchte, um mit Palace richtig ins Rollen zu kommen, ist dabei nicht nur nicht verwunderlich, sondern könnte fast schon genauso geplant gewesen sein. Denn die Herangehensweise des früheren Frankfurt-Trainers scheint weniger auf schnelle Punkte gegen den Abstieg und mehr auf das Etablieren eines langfristig erfolgreichen Gebildes ausgerichtet zu sein.

Das erkennt man unter anderem daran, dass eine klar erkennbare Maßnahme von Glasner ein festes taktisches Gerüst ist. Während man unter Roy Hodgson von Spiel zu Spiel immer wieder zwischen Vierer- und Fünferkette wechselte, wird nun durchweg 3-4-3 gespielt. Was am Anfang noch etwas holprig funktionierte, ist mittlerweile zu einer gut geölten Offensivmaschinerie geworden, die trotz der gleichen Grundordnung wie in Glasners Frankfurt-Zeit genauso wenig mit der Kostić-&-Co-SGE zutun hat wie mit Palace unter Hodgson.

Während Glaser in Frankfurt nämlich zumeist auf Umschaltfußball mit dem X-Faktor Filip Kostić auf der linken Schiene setzte, lässt er mit dem eigentlichen Mittelfeldteam Crystal Palace plötzlich den dominanten Kombinationsfußball eines Champions-League-Aspiranten spielen. Dabei liegen die entscheidenden Aktionen auch nicht bei einem der Schienenspieler, sondern bei einem gerade die Premier League aufmischenden Trio, das so auch nur die wenigsten kommen gesehen haben dürften.

Flankiert von Eberechi Eze und Michael Olise hat der frühere Mainzer Jean-Philippe Mateta sich in kurzer Zeit zu einem der besten Stürmer der Liga entwickelt. Und das auch, weil sein Trainer ihn gewissermaßen neu erfunden hat.

Zu Bundesliga-Zeiten war Mateta in erster Linie ein klarer Abschlussstürmer, der durch sein hohes Tempo vor allem über Tiefenläufe zum Erfolg kam. Unter Glasner ist er zwar immer noch ein Stürmer, der viel den Abschluss sucht, aber trotzdem fast immer in das mittlerweile fast schon traumwandlerische Kombinationsspiel mit Eze und Olise eingebunden wird. Mit schnellen wie sicheren One-Touch-Pässen, die auch Pep Guardiola sicherlich das ein oder andere “super super” abnötigen dürften, lassen Mateta & Partner gerade reihenweise Premier-League-Verteidiger aussehen wie verkaterte Kreisliga-B-Verteidiger.

Wie entscheidend die drei, die sich schon nach wenigen Spielen in dieser Konstellation scheinbar blind verstehen, für Palace sind, wird auch bei einem Blick auf die Statistiken überdeutlich. 32 Tore hat das Trio zusammen erzielt und vor allem: Immer wenn Eze, Olise und Mateta unter Glasner zusammen in der Startelf standen, blieben die Eagles ungeschlagen. Dass Glasner aus diesen drei Spielern ein in gewissen Szenen beinahe schon an Messi, Xavi und Iniesta zu besten Zeiten erinnerndes Dreigestirn geformt hat, muss man dabei als genial verstehen, weil es eigentlich komplett abwegig war.

Denn nicht nur Mateta, sondern auch Eze und Olise waren vor Glasners Ankunft Spieler, die vor allem von ihrem Tempo lebten. Fast jeder Trainer, der zu einem gen Tabellenkeller taumelnden Premier-League-Klub gekommen wäre, hätte die drei wahrscheinlich als schnelle Konterspieler für die wenigen Entlastungsangriffe einer Mauermannschaft eingesetzt. Glasner aber ließ das Trio sich auf dem Platz über wunderschöne Passstafetten finden und wurde mit einer der aktuell gefährlichsten Offensive Englands belohnt.

Dass Glasner fähig ist, in so kurzer Zeit eine Kick-and-Rush-Truppe zu einem Fußball zu bringen, den er selbst vorher so noch nie auf hohem Niveau hat spielen lassen, zeigt, dass der Österreicher nicht nur Mateta & Co., sondern auch sich selbst weiterentwickelt hat. Und es deutet auch an, dass Steve Parish den Wert seines Trainers mit 100 Millionen Euro womöglich sogar ganz treffend einschätzt.